von Ethix - Labor für Innovationsethik

Die Ethik des Inakzeptablen: Wie soll man auf der Intensivstation wählen?

Zwei Personen werden mit Atembeschwerden in die Notaufnahme eingeliefert, aber es steht nur noch ein Beatmungsgerät zur Verfügung: Wer soll es bekommen?

    Bilder aus italienischen Intensivstationen lassen einen in diesen Tagen erschaudern: ein völlig überlastetes Krankenhaussystem und Mitarbeiter*innen, die - oft am Rande der Erschöpfung - vor drastischen Entscheidungen darüber stehen, wer vorrangig behandelt wird. Diese Herausforderung trägt im medizinischen Fachjargon die Bezeichnung Triage. Eine Bezeichnung, die darauf hinweist, wie unmenschlich die Entscheidung ist, um die es hier geht. Die Schweiz bereitet sich auf eine Welle von Patient*innen vor, die eine Intensivbehandlung einschliesslich der künstlichen Beatmung benötigen. Sobald die Anzahl der Patient*innen die verfügbaren Ressourcen (vor allem die Zahl der verfügbaren Betten und Beatmungsgeräte auf der Intensivstation) überschreitet, stellt sich die brutale Frage der Triage. Wer soll vorrangigen Zugang zu diesen Ressourcen haben? Wie muss das medizinische Personal entscheiden? Welche Werte stehen für uns alle als Gesellschaft auf dem Spiel?

    Die Schweizerische Akademie der Medizinischen Wissenschaften (SAMW) und die Schweizerische Gesellschaft für Intensivmedizin haben spezifische Richtlinien für die Triage von Patient*innen bei Ressourcenknappheit formuliert und in diesen Tagen publiziert. Diese gelten für alle Intensivärztinnen und Intensivärzte in der Schweiz. 

    Die ethische Debatte breit führen

    In diesem Zusammenhang haben wir von ethix - Labor für Innovationsethik darüber nachgedacht, welchen Beitrag wir als Spezialist*innen für Innovationsethik leisten können. Wir haben zwei Wege gewählt. Erstens stellen wir ein kurzes Dokument zur Verfügung, das die wichtigsten Punkte der Richtlinien aufbereitet. Dieses Dokument hat zum Ziel, den Inhalt der von der SAMW vorgeschlagenen Richtlinien bekannt zu machen und somit jedem Einzelnen die Möglichkeit zu geben, sich eine Meinung zu bilden und darüber mit nahestehenden Personen zu diskutieren. Auch soll das Dokument daran erinnern, dass jede/r von uns mit einer Patientenverfügung für Notfälle vorsorgen kann. Wenngleich der Inhalt der Richtlinien weit weg von unserer individuellen Realität scheint, ist es nicht ausgeschlossen, dass die Richtlinien schon bald durch Intensivpflegedienste in der Schweiz angewandt werden müssen. Sie können also für uns alle von entscheidender Bedeutung sein. Stellen wir uns daher die folgende Frage: Stimme ich diesen Richtlinien zu?

    Zweitens haben wir eine Reihe von Szenarien vorbereitet, die unsere Intuition angesichts dieser äusserst schwierigen Entscheidungssituationen auf die Probe stellen. Diese Szenarien orientieren sich an den SAMW-Richtlinien, gehen jedoch auch über sie hinaus. Wir möchten zum besseren Verständnis der Komplexität der Entscheidungen beitragen, die das medizinische Personal möglicherweise treffen muss. Ausserdem möchten wir auch mehr über die Meinungen der Bevölkerung zum Thema der Triage sowie der Werte und Prinzipien erfahren, die entsprechende Entscheidungen leiten sollten. Die Szenarien können anonym ausgefüllt werden. In Zusammenarbeit mit unserem Kollegen Dr. Markus Kneer von der Universität Zürich ist auch eine wissenschaftliche Auswertung der Daten vorgesehen. Dafür stellen wir am Ende des Fragebogens noch einige demografische Fragen. Den Fragebogen finden sie hier.

    Zögern Sie nicht, die Fragen zu verbreiten und Ihre Familie und Freund*innen nach ihren Intuitionen und Überzeugungen zu den Szenarien zu fragen!