Ein Mann ohne Namen

Eine Einsendung im Rahmen des Essaywettbewerbs zum Thema "Selbstmord"

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    Er sass auf einem Stuhl in der Mitte eines dunklen Raumes. Nur eine einzelne Lampe brannte im Raum. Sein Blick wanderte im Raum umher. Er wusste genau, wo was stand, und dass, obwohl die Lampe nur die linke Raumecke erleuchtete. Es gab auch nicht viel, was er besass.  Einen Tisch in der linken Ecke. Eine Matratze in der rechten. Ein Stuhl, auf dem er sass. Ansonsten besass er nichts.

    Er sah hoch, an die knapp 2 Meter hohe Decke, und obwohl er nichts sah, beruhigte ihn das Heben seines Kopfes. Es erinnerte ihn an früher, als er und seine Familie Drachen stiegen liessen. Wunderschöne grüne und blaue Drachen, die seine kleine Schwester und er in die Luft stiegen liessen. Seine Schwester hatte diese Drachen geliebt.

    Ein Lächeln erschien auf seinen Lippen, als er an seine Schwester dachte. Sie war so schön gewesen, dass die Menschen sie manchmal einen Engel nannten. Sie war einfach in allen Aspekten perfekt gewesen.

    Wenn er an seine Schwester dachte, dachte er automatisch auch an seine Mutter und so auch an seinen Vater. Seine Mutter war Ärztin gewesen, während sein Vater der Armee gedient hatte. Sie liebten ihren Job, aber trotzdem war beide immer für ihre Kinder da, wenn sie sie brauchten.

    Jedenfalls hatten sie versucht für sie da zu sein. Er erinnerte sich, als er ungefähr 14 Jahre alt gewesen war, wie sein Vater seiner Mutter erzählte, wie es an den Grenzen zu mehreren Konflikten kam, und dass er deswegen hingehen müsse, um das Problem zu lösen. Seine Mutter diskutierte nicht, es wäre sinnlos gewesen mit seinem Vater zu diskutieren, doch es war ihr anzusehen, dass der Gedanke ihr nicht behagte.

    Und so ging sein Vater. Und kam nie wieder zurück.

    Die Erinnerung an die Meldung kam ihm in den Sinn. Die ganze Grenzregion wurde in die Luft gesprengt. Unzählige Soldaten starben, andere wurden verletzt und wiederum andere konnten nicht aufgefunden werden. Sein Vater wurde nie gefunden.

    Er dachte an seine Mutter, die nach seinem Tod zu einer Puppe wurde. Eine hübsche Puppe ohne Persönlichkeit. Manchmal, wenn er von der Schule nach Hause kam, sass sie auf dem Sessel vor dem Fenster und sah einfach hinaus. Kein Wort verliess ihre Lippen, auch wenn seine Schwester sie anflehte mit ihr zu reden.

    Seit dem Tag, an dem sein Vater verschwunden war, sagte seine Mutter nichts und er zwang sie auch nicht dazu. Sie trauere, dachte er und liess sie in Ruhe. Egal wie sehr seine Schwester ihn anflehte mit seiner Mutter zu reden, tat er es nicht. Er war nur 14 Jahre alt. Seine Mutter war eine 36 Jahre alte Frau gewesen. Sie wusste besser als er, was sie zu tun hatte und was nicht. Und irgendwann würde sie schon normal werden. Seine Schwester und er hatte es auch irgendwann geschafft in den Alltag zurückzufinden.

    Obwohl dieser Alltag schnell wieder zu einem lebendigen Albtraum wurde. Die Grenzen waren nämlich nicht mehr die einzigen Gegenden, an denen Bomben hochgingen und Leute erschossen wurden. Die terroristischen Aktivitäten breiteten sich bis in die Landesmitte aus und Unmengen an Menschen starben.

    Eines Tages hörten seine Schwester und er auf in die Schule zu gehen. Dafür war es viel zu gefährlich, denn jeden Tag wurden auf den Strassen Unmengen an Menschen getötet. Er wusste nicht genau, ob seine Mutter das mitbekam. Sie schien in ihrer eigenen Welt gefangen zu sein. Selten ass sie mit ihren Kindern und noch seltener sprach sie mit ihnen. Sie schien ein Geist ihrer selbst zu sein und das machte ihm mehr Angst als die Schiessereien auf den Strassen.

    Monate vergingen und nichts änderte sich. Er realisierte langsam, dass er seine Mutter jetzt aus dieser Trance rausreissen musste, wenn sie alle überleben wollten. Seine Schwester und er hatten schon lange keine anständige Mahlzeit gehabt, einerseits vor der Angst auf dem Weg zu einem Lebensmittelladen erschossen oder in die Luft gesprengt zu werden und andererseits, weil sie einfach kein Geld mehr hatten.

    Es gab eine enorme Inflation und damit war es kaum möglich sich Essen zu leisten. Es gab Menschen, die anfingen Läden zu plündern und er half ihnen dabei, wenn er sich gezwungen sah, hinauszugehen, um irgendwie an Essen zu kommen. Die Armee hatte ihnen zwar Schadenersatz für ihren Vater gezahlt, doch seit seine Mutter nicht mehr arbeitete und es einfach nicht möglich war auf eine anderen Weise Lebensunterhalt zu erwerben, hatten seine Schwester, seine Mutter und er einfach nicht genug zum Essen. Und seine Mutter tat einfach nichts dagegen. Sie sass nur da und sah aus dem Fenster.

    Eines Tages standen die Terroristen vor seiner Hausschwelle. Niemand warnte ihn vor, niemand half ihm. Die Nachbarn sahen einfach zu, wie die Haustüre aufgebrochen und in das Haus eingedrungen wurde.

    Er wusste, dass sie rennen mussten, dass sie fliehen mussten, um zu überleben, doch seine Mutter rührte sich kein Stück. Sie hatten noch wenige Sekunden Zeit, bis die schwerbewaffneten Männer in das Zimmer kommen würden.

    Er versuchte seine Mutter hochzuheben und irgendwie zu fliehen, doch sie kooperierte nicht. Sie sass da und tat nichts. Er bettelte leise, dass sie aufstehen solle und mitkommen solle, doch sie tat nichts dergleichen.

    Entweder starben sie alle zusammen hier oder seine Schwester und er flohen und lebten weiter, während seine Mutter hier starb. Beide Optionen waren grausam, doch wie konnte er seine Schwester sterben lassen. Sie war doch erst acht Jahre alt.

    Seine Entscheidung war getroffen. Er packte seine Schwester, die leise vor sich hin weinte und rannte aus dem Hinterausgang hinaus. Sobald die Türe sich hinter ihnen schloss, hörten man Männer, die lachten und dann laute Schüsse, die er nicht hören wollte.

    Ohne hinter sich zu blicken, rannte er davon, obwohl er genau wusste, dass seine Mutter gerade erschossen worden war. Tränen liefen ihm über die Wangen, doch trotzdem rannte er immer weiter. Er musste seine Schwester beschützen, wenigstens sie.

    Er rannte lange. Seine Energie schien ihn nicht zu verlassen. Die Realität hielt ihn in Trab. Es wurde langsam dunkel und er war irgendwo im Nirgendwo mit seiner Schwester angekommen. Er glaubte an der Grenze zu ihrem Nachbarland, dass nicht an der Grenze lag, an der sein Vater gesprengt wurde, zu sein. Er glaubte, dass dieses Land ihre Zuflucht, ihre Rettung sein könnte.

    Er war auf einer Wiese angekommen, auf der verschiedene Blumen blühten. Der Ort wirkte so friedlich, er lockte nach ihm. Mit seiner Schwester immer noch in seinen Armen blieb er stehen. Sobald er aufgehört hatte zu rennen, verliess ihn all seine Kraft und er sank auf den Boden.

    Er krümmte sich und weinte, denn er hatte nicht nur seinen Vater und sein Zuhause verloren, sondern auch noch seine Mutter. Seine Schwester sagte nichts. Sie sass einfach da, neben ihm, genauso verloren, wie er es war.

    Er beruhigte sich langsam, denn er musste stark bleiben, auch wenn es nur für seine Schwester war. Es wurde langsam so dunkel, dass man fast nichts mehr erkennen konnte.  Nach einiger Zeit in der Dunkelheit konnte er seine Schwester erkennen, die immer noch neben ihm sass. Er beschloss, dass es viel zu dunkel war, um weiterzugehen. Seine Schwester legte ihren Kopf nach einer Weile in seinen Schoss und schloss ihre Augen. Er sah ihre Tränen nicht, doch er hörte ein leises Schluchzen, das von ihr kam. Er strich ihr über den Kopf und hoffte, dass es ihr bald besser gehen würde.

    Er versuchte wach zu bleiben, doch es war so schwierig. Der ganze Tag hatte ihn erschöpft und er war auch nur ein Kind. Irgendwann schlossen sich seine Augen und als er sie als nächstes Mal öffnete, war seine Schwester weg.

    Sein Herz zog sich vor Angst zusammen und erschrocken sprang er auf die Beine. Er sah ein Feuer ungefähr 70 Meter von ihm entfernt. In der Dunkelheit war das Feuer, auch aus der Ferne, sehr gut zu sehen. Vielleicht wisse seine Schwester ja, wie man ein Feuer mache, redete er sich ein und lief in Richtung Feuer. Unbehagen packte ihn immer mehr. Er sah einen grossen Stein, auf dem Boden der Wiese und nahm ihn zur Sicherheit mit sich. Er ging immer näher an das Feuer ran.

    Sein Herz zog sich zusammen und tat ihm heftig weh. Die Szene, die sich vor ihm präsentierte, war scheusslich. Das Feuer brannte und erleuchtete das ganze Geschehen. Ein Mann stand da. Seine Schwester war auch dort. Der Mann hatte sich über seine Schwester gebeugt und schnitt gerade ihren zweiten Arm hinaus, in den sofort hineinbiss.

    Seine Schwester hatte ihre Augen weit geöffnet und ihr Mund war weit aufgerissen. Sie sah nicht mehr aus, wie der Engel, für den sie von anderen Menschen gehalten wurde. Man sah ihre Menschlichkeit und ihren Schmerz.

    Der Mann bemerkte ihn nicht, als er von hinten auf ihn zuging und mit dem Stein in seinen Händen immer wieder auf den Kopf schlug. Eins, zwei, drei, vier, fünf, sechs, sieben, acht, neun, zehn. Nach zehn hörte er auf zu zählen und schlug einfach nur noch auf den Kopf des Mannes ein.

    Lange schlug er ein. Sehr lange. Der Mann war längst tot. Er hörte erst auf, als seine Arme sich nicht mehr heben liessen und seine physische Erschöpfung nicht mehr zuliess auf diesen Kannibalen einzuschlagen.

    Erst jetzt sank er auf seine Knie und schrie und kreischte. Er krabbelte zu seiner acht-jährigen Schwester, die dort lag, ganz still, ohne eine einzige Regung. Er schrie ihren Namen immer wieder, in der Hoffnung sie würde wieder atmen. Doch sie tat das nicht. Sie blieb regungslos dort.

    Trotz seiner Erschöpfung hob er sie in seine Arme und trug sie weg, immer weiter in die Richtung, in der er die Grenze vermutete. Vielleicht war sie nicht tot. Vielleicht lebte sie noch und die Leute an der Grenze konnten sie retten. Seine Schwester fühlte sich so kalt an. So unglaublich kalt.

    Er lief lange. Er sah nichts vor sich, doch er lief in der Hoffnung Hilfe zu finden.

    Stunden vergingen und seine Schwester fühlte sich so schwer an. Er schaffte es kaum sie noch zu halten. Er musste sie auf den Boden legen. Es war morgen geworden. Er hatte es nicht einmal bemerkt. Er konnte seine Schwester nicht mehr ansehen. Er beugte sich nach vorne und übergab sich heftig.

    Plötzlich hörte er Schritte in der Nähe, doch ihn ergriff keine Angst. Von ihm aus konnte er sterben. Denn die Realität traf ihn nun heftig. Seine Schwester war tot. Sie atmete nicht, ihr Kopf war mit irgendetwas eingeschlagen worden und ihre beiden Arme fehlten. Für was sollte er nun leben?

    Er hätte mit seiner Mutter bleiben sollen, sie alle hätten zusammen sterben können.

    Stattdessen hatte er seine Mutter sterben lassen und seine Schwester genau am gleichen Tag durch seine Unvorsichtigkeit verloren. Sie waren tot. Genauso wie sein Vater. Alle waren tot. Jeder einzelne von ihnen war tot.

    Drei Männer, die die Uniform trugen, die sein Vater immer mit Stolz getragen hatte, rannten auf ihn zu. Einer fluchte und beugte sich sofort über seine Schwester. Er sprang auf den Soldaten zu und versuchte ihn von seiner Schwester wegzuhalten. Ein anderer Soldat packte ihn und zog ihn in seine Arme. Der dritte stand da und sah einfach zu. Der erste Soldat meinte, dass seine Schwester tot sei.

    Er krümmte sich vor Schmerz, da eine andere Person ihm bestätigt hatte, dass seine Schwester tot war. Denn dies waren nicht irgendwelche Menschen, das waren erfahrene Männer. Sie wussten genau, wie Tote aussahen.

    Er wusste nicht genau, was in den nächsten Stunden geschah. Seine Erinnerungen waren verschwommen, ohne richtigen Fokus auf irgendeine bestimmte Sache. Als ob sein Geist einfach ausgeschaltet hätte.

    Das Nächste, an das er sich wieder erinnerte, war eine psychiatrische Klinik. Er war im Nachbarland angekommen und man hatte ihn dort sofort in eine Psychiatrie gesteckt. Ein männlicher Doktor erschien.

    Der Psychiater stellte ihm verschiedene Fragen über seine Familie, seine Freunde und was geschehen war. Er fühlte nichts zu den Themen. Er fühlte sich ruhig und leer. Jeden Tag musste er zu diesem Doktor.

    Eines Tages fragte er ihn, wo seine Schwester sei, woraufhin der Psychiater antwortete, dass sie an einem besseren Ort sei. Erstaunlicherweise fragte er auch, ob man den Mann gefunden habe, den Mann, der seine Schwester gegessen hatte. Der Psychiater hielt kurz inne und nickte dann. Er fragte ihn, ob er den Mann getötet hatte, was er bejahte.

    Er fragte, was genau der Mann dort auf der Wiese tat. Der Psychiater zögerte, doch dann erklärte er ihm, dass der Mann wahrscheinlich jemand war, der durch die Situation in ihrem Land, nichts zu essen hatte, seine Schwester, die höchstwahrscheinlich ihre Blase entleeren wollte, tötete, um sie zu verzerren. Obwohl das Ganze schlimm war, fühlte er nichts. Keinen Schmerz, keine Verachtung und keinen Hass für den Mann. Nur Leere.

    In dieser Nacht versuchte er sich zu töten. Es gab keinen Sinn mehr zu leben. Es gab nichts zu tun. Es gab niemanden, mit dem er reden konnte, ausser dem Psychiater. Er hatte keine Familie, keine Freunde und kein Zuhause.

    Das Pflegepersonal fanden ihn allerdings schnell und retteten ihm das Leben. Er wollte aber gar nicht gerettet werden. Nach diesem Vorfall steckten sie ihn in eine geschlossene Anstalt, in ein Zimmer ohne Waffen, ohne irgendetwas gefährlichem. Kein Messer und auch keine Gabel wurden ihm mit dem Essen gebracht, nur ein Löffel, mit dem er seine Mahlzeit verzerren sollte.

    Die meiste Zeit sass er einfach auf dem Bett und starrte vor sich hin. In seinem Kopf lebte er in den schönen Erinnerungen des Damals. Manchmal schmückten seine Lippen ein Lächeln, denn er dachte an seine Schwester und ihr atemberaubendes Lächeln. Das Personal, dass ihn betreute, lobten ihm immer wieder, wie hübsch er war, wenn er lächelte. Aber lächelte nicht für sie, sondern nur für seine Schwester und für seine Eltern, die auch ab und zu in seinem Kopf auftauchten.

    Jahre vergingen. Er hatte eine Routine gefunden. Ein wenig Essen zu sich nehmen, an seine Familie denken, ein wenig essen, planlos aus dem Fenster sehen, das nur mit einem Schlüssel geöffnet werden konnte, Abendessen ablehnen und die ganze Nacht wach bleiben. Nichts anderes konnte er in der Nacht tun.

    Seine Augen waren immer weit aufgerissen und er lauschte ganz genau, was um ihn herum geschah. Kein Auge tat er zu, egal wie müde er auch war. Am morgen fand er manchmal Schlaf und dass nur, wenn ihn die Müdigkeit übermannte, doch in der Nacht ging es einfach nicht.

    Noch mehr Jahre vergingen. Er wusste nicht, wie alt er war. Er wusste nicht einmal, wie viel Zeit schon vergangen war, seit er an diesem Ort angekommen war. Der Psychiater kam immer noch, jetzt nur nicht jeden Tag, sondern einmal pro Woche. Er redete nicht mit ihm. Dafür war er zu fest in seinen Erinnerungen vertieft.

    Obwohl der Ort, an dem er war, sich nicht geändert hatte, hatte sich eine ganz bestimmte Sache in den vielen Jahren geändert. Seine Erinnerungen waren keine Zuflucht mehr für ihn. Sie verursachten höllische Qualen in seinem Kopf, denn sein Geist erinnerte ihn täglich, stündlich daran, was er alles verloren hatte. Er wollte nur erlöst werden. Er ertrug es nicht mehr.

    Nach unzähligen Jahren, in denen er nicht geredet hatte, schaffte er es ein letztes Mal seinen Mund zu öffnen. Genauso sehr, wie sich der Psychiater an seiner Stimme erschreckte, erschrak sie ihn ebenfalls, denn er hatte sie seit Jahren nicht mehr gehört.

    «Lassen Sie mich bitte gehen. Mein Licht flackert schon zu lange. Es wird bald endgültig erlöschen, aber ich will es selbst ausblasen und nicht darauf warten, dass ein starker Wind kommt, um es auszulöschen»

    Der Psychiater sah ihn an, sah wohl den Schmerz und die Qual in seinen Augen, die er ganz allein ertrug. Er konnte in den Augen des Psychiaters Mitleid erkennen. Vielleicht liess er ihn deswegen gehen. Vielleicht hatte der Doktor auch Schuldgefühle ihn so leiden zu sehen, weil die Anstalt Entscheidungen für ihn traf, die er von sich aus nie treffen würde.

    Denn einige Tage nach seinen Worten wurde er entlassen. Die Psychiatrie stellte ihm eine 1-Zimmer-Wohnung zu Verfügung, wo er auf den Kosten vom Staat leben durfte.

    Die Welt hatte sich sehr verändert, seit er sie das letzte Mal von aussen gesehen hatte. Die Kinder auf den Strassen sahen nicht aus, als wüssten sie, was Verlust hiess. Der Gedanke beruhigte ihn, denn es waren schliesslich Kinder. Sie sollten nicht über solche Extremitäten nachdenken müssen.

    Die Terroristen waren wohl nicht bis in dieses Land gekommen. Möglicherweise wurden sie von der Armee dieses Landes aufgehalten, vielleicht wurden sie in seinem Heimatland besiegt oder vielleicht kam all das Leid erst später in dieses Land. Über all diese Dinge dachte er nach, dort in seiner kleinen Wohnung mit so wenigen Gegenständen.

    Die Lampe, die über dem Tisch hing, fing plötzlich an zu flackern. Sie tat das schon seit er eingezogen war und die Leute, die regelmässig nach ihm sehen mussten, hatten immer wieder versucht sie am Leben zu halten.

    Er erhob sich nach einer Weile von seinem Stuhl und stieg auf den Tisch, um zu sehen, ob der Stecker der kleinen Lampe richtig eingesteckt war. Auf dem Tisch atmete er tief durch und schloss seine Augen. Er fühlte sich plötzlich so ruhig. Keine Erinnerungen durchfluteten ihn, keine Gedanken plagten ihn wie zuvor. Es war so unglaublich friedlich. Genau so friedlich wie es damals auf dieser Wiese gewesen war.

    Die Lampe ging aus und damit erlosch auch ihr Licht.