CAS Philosophie (BS): Dialektiken der Anerkennung. Aneignungen und Transformationen eines hegelschen Begriffs (WS 2024-25)

Vom an 23 Okt 2024 

18:15 - 20:00

Kollegiengebäude der Universität Basel

    Die Bewegung ist also schlechthin die gedoppelte beider Selbstbewusstsein. Jedes sieht das andre dasselbe tun, was es tut; jedes tut selbst, was es an das andre fodert; und tut darum, was es tut, auch nur insofern, als das andre dasselbe tut; das einseitige tun wäre unnütz, weil, was geschehen soll, nur durch beide zu Stande kommen kann. […] Sie anerkennen sich, als gegenseitig sich anerkennend.
    G. W. F. Hegel, Phänomenologie des Geistes (1807)
    Der von Hegel in seinen Jenaer Jahren entwickelte Begriff der Anerkennung darf mit gutem Recht als eines der fruchtbarsten Konzepte seiner Philosophie gelten. Die erstmals bei Fichte artikulierte Idee, Intrasubjektivität (die Beziehung des Subjekts auf sich) an die Bedingungen der Intersubjektivität (das Anerkanntsein durch andere Subjekte) zu knüpfen, fand nicht nur in Hegels erstem Hauptwerk, der Phänomenologie des Geistes von 1807, ihren bündigsten Ausdruck, sie fand von da auch Zugang zu wichtigen philosophischen Positionen des 20. Jahrhunderts. So lässt sich von Alexandre Kojèves berühmten Vorlesungen aus den 30er Jahren, welche am Leitfaden der Dialektik von Herr und Knecht die gesamte hegelsche Philosophie dem französischen Publikum erschloss, über Jean-Paul Sartres antagonistische Dialektik der Blicke von 1943 und Simone de Beauvoirs zeitgleich entstandenen Überlegungen zur Differenz von biologischem und sozialem Geschlecht oder Frantz Fanons Schwarze Haut, weisse Masken von 1952 ein Bogen zu gegenwärtigen gesellschafts- und rassismuskritischen, gendertheoretischen und psychoanalytischen Debatten schlagen.
    Wir werden einige wichtige Stationen dieser Aneignungs- und Transformationsgeschichte des hegelschen Begriffs zur Kenntnis nehmen und dann zu einschlägigen Texten der aktuellen Rezeption von Hegels Anerkennungsgedankens (Axel Honneth, Judith Butler, Jessica Benjamin, Charles Taylor) übergehen. Ziel des Seminars ist es, unter Berücksichtigung der kritischen Stellungnahmen, die die genannten vier Positionen hervorgerufen haben, Tragweite und Binnenstruktur des Anerkennungskonzeptes sowie seine Bedeutung für ein sozialphilosophisches, politisches und psychotherapeutisch informiertes Verständnis der Anerkennungsdynamik zu klären.
    Flyer: CAS Philosophie Dialektiken der Anerkennung WS 2024-25