Über die Relevanz der Sprache in der politischen Philosophie

Wendet man sich als Philosoph an ein nicht-fachliches Publikum, gerät man umgehend in Schwierigkeiten, auch dann, wenn über praktische Themen gesprochen wird. Das Problem beginnt mit der Sprache.

    Wendet man sich als Philosoph an ein nicht-fachliches Publikum, gerät man umgehend in Schwierigkeiten, auch dann, wenn über praktische Themen gesprochen wird. Das Problem beginnt mit der Sprache. Setzt man Worte bzw. Begriffe voraus, gleichgültig ob z.B. ‚Gerechtigkeit‘ oder ‚Kultur‘, kann man davon ausgehen, dass sie von Lesern umgangssprachlich aufgefasst werden. Eine solche Interpretation, die zumeist spontan und mangels zugänglicher Alternativen wie selbstverständlich erfolgt, birgt jedoch Gefahren: umgangssprachliche Fassungen könnten philosophisch völlig unerheblich sein. Sogar fachintern kann es zu Missverständnissen kommen: die Bandbreite an Differenzen ist schier unermesslich, sogar im Hinblick auf eine konkrete Relevanz von Sprache.  

    Fragt man, warum Sprache philosophisch, aber auch wissenschaftlich zentral sein kann, lassen sich sprachliche Bezüge angeben: erst durch zuerkannte Bezüge wird deutlich, worüber überhaupt gesprochen wird, Hypothesen formuliert, Theorien entwickelt werden. Über dieses Problem täuscht die Umgangssprache und ihre selbstverständliche Nutzung hinweg. Im Alltag ließe sich hingegen auf die Umgangssprache nicht verzichten, auch nicht von einem Philosophen. Ein Streit zwischen einem Philosophen und einer Kassiererin darüber, was ausgesucht wurde, wäre wenig hilfreich, könnte sogar zu Ausschreitungen wartender Kunden führen. In der Philosophie ist die Sachlage eine andere. In einem Geschäft liegt die Ware, der Gegenstand vor, der relevant ist. Es ist eindeutig, worum es geht, gleichgültig wie man sprachlich interpretiert. Doch worüber jemand spricht, wenn nichts als Formulierungen vorliegen, kann zweifelhaft sein und bleiben. 

    Bezüge können in Konkurrenz zu sprachlichen Bedeutungen geraten, wenn sie nicht als Erläuterungen von Bezügen dienen. Sogar Definitionen sind keineswegs stets tauglich, klären zu helfen, ob überhaupt über etwas gesprochen wird. Dennoch wäre man nicht darauf angewiesen, sich auf einen Empirismus zu beschränken: Bezüge lassen sich nicht nur auf Empirisches, auch auf empirisch Mögliches oder logisch Mögliches zuerkennen. Eine Science Fiction, die auf narrative Züge verzichtet, wäre, um ein Beispiel anzuführen, nicht ausgeschlossen.

    Hier behandeln möchte ich jedoch einen anderen Fall: Worte ‚Kultur‘. Ich spreche von Worten, weil es sehr viele davon gibt, mit unterschiedlichen Bedeutungen und Bezügen, zumindest mit thesenhaften. Nicht nur ist die Historie seit den alten Lateinern mit Worten Kultur angefüllt, auch dort, wo das Latein zumindest oberflächlich weiter gepflegt wurde. Inzwischen wird so gut wie alles, was gesellschaftlich hervorgehoben werden soll, im deutschsprachigen Raum als Kultur ausgeben. Speziell für die alten Lateiner waren ihre Äcker Kultur, und diese erforderten ein religiöses Handeln, damit die angebauten Pflanzen gedeihen konnten. Metaphorisch bezog man sich seit Cicero auch auf einen besonderen Bildungsumfang der Eliten. Aus dem alten Griechenland ist hingegen keine Kultur übermittelt, auch kein Wort, das dem lateinischen ähnlich wäre. Um den alten Griechen Kultur zuschreiben zu können, wäre zu projezieren, doch warum sollte man so etwas tun? Bereits der einfach historische Vergleich kann in Frage stellen, ob es eine Sache Kultur gibt, nicht lediglich regional geprägte Worte - und seit einigen Jahrhunderten viel Geplapper, fachlich als auch umgangssprachlich.

    Da es mir im Rahmen dieses Beitrags nicht möglich ist, Worte ‚Kultur‘ historisch zu behandeln, besonders Samuel Pufendorfs Fassung, die im Kontext von Hobbes’ Naturrechtslehre und unter dem Eindruck des 30jährigen Krieges entstand, wäre als eine entscheidende historische Veränderung zu erörtern, möchte ich mich auf die aktuelle Umgangssprache richten: Kultur steht, wie der redaktionell betreute DUDEN erörtert, als von Menschen Gemachtes einer (mehr oder weniger unberührten) Natur gegenüber. Eine solche Gegenüberstellung von Kultur und Natur ist aus logischer Sicht jedoch nicht möglich. Kultur hätte, wenn sie nicht natürlich wäre, etwas Metaphysisches zu sein, was durchaus nicht haltbar wäre. Umgangssprachlich misslingt nicht nur ein Bezug auf Kultur, sondern auch auf Natur. Eine zentrale Grundlage unserer Zivilisation gerät aus sprachlichen Gründen in Zweifel.