Mass nehmen, Mass halten, das rechte Mass finden, übers Mass hinausschiessen. Die Vermessung, Justierung und Optimierung macht auch vor dem Menschen keinen Halt. Technologiegetrieben ist dieser Umgang mit seinem Körper, mit seinen grundlegenden Fähigkeiten und Eigenschaften. Damit findet zugleich eine Digitalisierung des menschlichen Lebens statt, denn Vermessungen finden im Zahlen- und Datenraum statt, der dem Menschen dann neue Wege für seine Lebensführung öffnen oder vorgeben versuchen. Messen ist also immer mit Normierung und Detektion von Abweichungen sowie - ethisch gesehen - auch mit der Frage nach dem guten Leben verbunden.
Das Projekt www.menschnachmass.ch, das gemeinsam von dem Collegium Helveticum (EHT/Universität Zürich), Science et Cité und der Paulus Akademie durchgeführt wird, ist diesen Überlegungen anhand verschiedener Themenkreise in den letzten beiden Jahren nachgegangen. Nun steht für 2016 ein neues Schwerpunktthema an: Schnittstellen von Mensch und Maschine, die unterschiedlichste Formen haben können, vom Biohacking, bei dem Menschen mittels Implantate neue Sinneswahrnehmungen z.B. von Magnetfeldern zu kreieren versuchen, bis hin zu intelligent vernetzten Gegenständen, die unser Zuhause zu einem smart home werden lassen und uns permanent und autonom umsorgen. Schon heute gibt es Kontaktlinsen mit eingebauter Zoom-Funktion, Hirnschrittmacher mit Auswirkungen auf die Persönlichkeit, eine „Genschere“, die irgendwann unser Erbgut optimieren soll, und Kriegsroboter, die für uns das Töten übernehmen könnten. Solche technischen Möglichkeiten werfen Fragen für unser Leben und Zusammenleben auf:
- Verändert sich unser Bild vom Menschen? Von dem, was er kann, darf und sollte?
- Bleibt der Mensch das Mass aller Dinge, oder verschwimmen die Grenzen zwischen ihm und den Maschinen?
- Was wird als Massstab für die Normierung genommen? Die Natürlichkeit? Das, was darüber hinausgeht – die Transformation des Menschen in einen Übermenschen?
- Was passiert mit Menschen, die aufgrund von hohem Alter, Einsamkeit, Krankheit oder Behinderung sozial benachteiligt sind? Können sie von den Innovationen profitieren, oder verlieren sie an good will und Akzeptanz in der Gesellschaft?
- Was gewinnt der Mensch, zum Beispiel an Lebensqualität und Selbstbestimmung im Alter?
- Wo liegen Risiken, auch für gesellschaftliche Werte wie Toleranz und Solidarität?
- Und zu guter Letzt: Bleibt der Mensch wirklich der Mittelpunkt in dieser Technologieentwicklung und kontrolliert sie, oder wird er irgendwann von Robotern und Computern überflüssig gemacht?
Erste Meinungen dazu, wie unsere Welt angesichts möglicher zukünftiger Schnittstellen von Mensch und Maschine in 100 Jahren aussehen könnte, hören Sie in einem Film, der für das Projekt von den Künstlerinnen Kathrin Yvonne Bigler und Rahel Bucher gemacht wurde (http://menschnachmass.ch/film).
Auch Ihre Meinung, Hoffnungen, Ängste, Einstellungen und Vorstellungen bezüglich der zunehmenden Technisierung und Digitalisierung des menschlichen Lebens interessiert uns. Sie können hier anonym einen Online-Fragebogen ausfüllen. Die Antworten werden dann von Expertinnen und Experten aus verschiedenen Fachbereichen ab Herbst 2016 diskutiert. Und zwar direkt mit dem Publikum an unterschiedlichen Orten in der Schweiz: Auf ins Gespräch!