Wir verstehen etwa “Es muss etwas Neues geschehen”, “Ich bin im Zimmer meiner Mutter”, “Es wird mit dem Summerton zwölf Uhr”. Und natürlich verstehen wir auch den insbesondere unter Philosophinnen und Philosophen beliebten Satz “Schnee ist weiss”. Wir verstehen diesen Satz und wir verstehen kurze, aber auch sehr lange Sätze und auch jene Sätze, die aus Wörtern zusammengesetzt sind, die nicht in Wörterbüchern zu finden sind. Even an unexpected change of the language could not prevent from understanding. Wir verstehen Metaphern und wir amüsieren uns über Wortspielereien, etwa Anagramme, gerade weil wir sie verstehen. Von flasch geschriebenen Worten ganz zu schwiegen. Ah ja, das Schweigen wird ja manchmal auch verstanden. Kurz: Verstanden wird viel und alles in allem “funktioniert” das Verstehen sehr gut. Missverständnisse werden ja auch verstanden, sonst könnten sie nicht korrigiert werden.
Man wäre nun fast geneigt, das Verstehen von Äusserungen ob dieser Alltäglichkeit und Allgegenwärtigkeit als philosophisch uninteressant oder dessen Erklärung als nicht zu erfüllende Sisyphusaufgabe zu betrachten. Letzteres gerade deswegen, weil man einerseits nicht das Verstehen eines jeden potentiell geäusserten Satzes erklären kann und andererseits Regelmässigkeiten und Strukturen im Wust der unendlich vielen Sätze zu finden unmöglich erscheint.
Also klein beigeben? Mitnichten. Dies auch oder gerade deswegen, weil ja erst gezeigt werden müsste, warum sich das Verstehen einer Erklärung entzieht. Das zu zeigen scheint dann beinahe noch schwieriger zu sein. Dann doch lieber der Frage nachgehen, was es denn heisst, einen beliebigen Satz zu verstehen. Und damit auch dem skeptischen Einwand trotzen, es gäbe keine Anknüpfungspunkte, auf denen man eine Theorie oder eine Erklärung des Verstehens aufbauen könnte.
Was wären nun solche Anknüpfungspunkte?
Einen ersten Anknüpfungspunkt bietet die Überlegung, dass wir das Verstehen sprachlicher Äußerungen erst erlernen müssen. Wir wurden geboren und das Verstehen musste uns erst beigebracht werden. Eine Erklärung wie solche Lehr- und Lernprozesse vor sich gehen ist nicht einfach, aber prinzipiell heisst dies, dass das Verstehen natürlicher Sprachen erlernbar sein muss. Es kann zunächst offen bleiben, wie wir diese Prozesse beschreiben, aber damit sind zumindest jene Theorien ausgeschlossen, die die Möglichkeit des Erlernens von Sprache ignorieren beziehungsweise wenn diese Theorien wahr wären, könnte man das Erlernen prinzipiell nicht erklären. Man könnten das auch als Argument anführen, dass Sprachen ausreichende Regelmässigkeiten und Strukturen aufweisen müssen, die das Erlernen ermöglichen.
Sicherlich – die Möglichkeit des Erlernens allein reicht nicht als Grundlage für eine Erklärung des Verstehens aus. Hilfreicher ist da schon jene Überlegung, die seit dem zwanzigsten Jahrhundert eine der zentralen Annahme in der Sprachphilosophie darstellt. Dieser Annahme nach behaupten Aussagesätze über Gegenstände, wie diese sind: Sätze wie “Die Rose ist rot”, “Das Buch ist ausverkauft” oder “Das Licht brennt” drücken aus, wie etwas wirklich ist oder was wahr ist. So gesehen ist der Satz “Die Rose ist rot” wahr, wenn die Rose wirklich rot ist. Ob der Satz nun tatsächlich wahr ist, hängt aber nicht nur davon ab, wie die Rose ist – rot oder eben nicht rot –, sondern auch davon, worauf sich ein Sprecher mit den Wörtern “Rose” und “rot” bezieht, das heisst, wie die Wörter verstanden werden. Anders gesagt, der Satz wäre nicht wahr, wenn das Wort “Rose” sich auf Schnee beziehen würde und “rot” die blaue Farbe bezeichnen würde. Für die Erklärung des Verstehens eines beliebigen Satzes bedeutet dies, dass jemand die mit einem Satz gemachte Behauptung versteht, wenn er die Bedingungen kennt, unter denen ein Satz wahr ist. Es kommt gar nicht darauf an, ob der Satz tatsächlich wahr ist: der Interpret einer Äusserung muss lediglich wissen, was der Fall wäre, wenn der Satz wahr wäre, sprich wenn er die Wahrheitsbedingungen eines Satzes kennt. Der Zusammenhang zwischen der Wahrheit eines Satzes und seinem Verstehen bietet daher den zentralen Anknüpfungspunkt zwischen der tatsächlichen, alltäglichen Verwendung von Sätzen und einer theoretischen Auseinandersetzung mit sprachlichem Verstehen. Wie dieser Zusammenhang zwischen Wahrheit und Bedeutung “auszubuchstabieren” sei, ist dann wiederum eine andere Sache und es ist keinesfalls so einfach wie hier von mir angedeutet. Der Ansatz zieht auch eine Reihe von Frage nach sich – wie können wir damit etwa das Verstehen von Fragen und Befehlen erklären? Denn diese sind nicht wahr oder falsch und haben folglich auch keine Wahrheitsbedingungen.
Eine weitere Schwierigkeit stellen Ausdrücke wie “ich”, “hier”, “jetzt” dar. Wird ein solcher Ausdruck verwendet, etwa wenn eine Person “Ich bin müde” sagt, ist nicht klar, unter welchen Bedingungen ein solcher Satz wahr ist. Zu sagen, dass “Ich bin müde” wahr ist, wenn ich müde bin, ist nicht richtig, vor allem wenn die Sprecherin und der Interpret unterschiedliche Personen sind und sich folglich “ich” jeweils auf unterschiedliche Personen bezieht. Eine Umschreibung wonach “Ich bin müde” wahr ist, wenn die Sprecherin müde ist erklärt nicht alle Besonderheiten des Personalpronomens “ich”, da sich “die Sprecherin” im Gegensatz zum Wort “ich” auch auf die Sprecherin im Radio beziehen kann.
Die Auseinandersetzung mit ähnlichen Ausdrücken bildet einen Schwerpunkt in den philosophischen Debatten der letzten drei Dekaden. Natürlich werden auch andere Ansätze verfolgt, um das Verstehen zu erklären. Auf jeden Fall gilt aber festzuhalten: Das Verstehen funktioniert, aber beim Verstehen des Verstehens gibt es vieles, das wir noch nicht verstehen.