Die Frage der (gerechten) Güterverteilung gehört seit je her zu den Grunddisziplinen der politischen Philosophie. Auch eine Beurteilung des bedingungslosen Grundeinkommens muss aus der Perspektive von Gerechtigkeitsüberlegungen erfolgen. Dabei stehen zwei Fragen im Vordergrund: 1. Ist die dem Grundeinkommen inhärente Umverteilung gerecht? 2. Kann eine Gesellschaft, in der die Grundbedürfnisse a priori befriedigt werden, überhaupt gerecht sein?
Das verwendete Gerechtigkeitskonzept scheint bei der Beurteilung dieser Fragen überraschend sekundär. Dafür halte man sich in einem ersten Schritt die Umverteilungswirkung des Grundeinkommens vor Augen. Für die Schweiz müsste rund ein Viertel der gesamten Wirtschaftsleistung neu und gleichmässig umverteilt werden und dies eben bedingungslos, d.h. unabhängig vom persönlichen Beitrag oder der individuellen Voraussetzung. Mit anderen Worten wäre diese Art von Umverteilung kein Ausgleich (bzw. keine implizite Versicherung) für individuelle, unverschuldete Nachteile wie Glück und Pech, Intelligenz oder andere Fähigkeiten. Das Grundeinkommen ist völlig „blind“ gegenüber dem Individuum, und genau dies macht es wohl für viele seiner Verfechter so attraktiv. Doch diese „Blindheit“ steht im unauflösbaren Widerspruch zum Prinzip der Bedürfnis- und Beitragsgerechtigkeit. Bildlich gesprochen ist das Grundeinkommen mit einer grossen Giesskanne vergleichbar, die ungeachtet von Durst und Verträglichkeit alles unter Wasser setzt.
Kann ein Umverteilungsmechanismus, der nach diesem „Giesskannenprinzip“ funktioniert, überhaupt gerecht sein? Begeben wir uns zur Beantwortung dieser Frage doch für einen Augenblick in den Urzustand nach John Rawls, also hinter den Schleier der Unwissenheit in dem wir weder unsere Fähigkeiten, noch unsere Präferenzen und Lebenswirklichkeiten kennen. Das Grundeinkommen beeinflusst durch seine Bedingungslosigkeit nämlich nicht nur die Güterverteilung, sondern implizit auch den individuellen Beitrag an die volkswirtschaftliche Gesamtproduktion. Es wäre nicht mehr so, dass jeder Bürger und jede Bürgerin nach seinen Möglichkeiten einen Anteil an die Gesamtproduktion beisteuern müsste. Die Last würde entsprechend auf die Schultern von weniger Personen verteilt. Diese wären verhältnismässig schlechter gestellt, müssten sie beispielsweise für Mitmenschen mit einer relativ grösseren Präferenz für Freizeit oder nicht-pekuniäre Arbeit aufkommen. Würde man also hinter dem Schleier der Unwissenheit befürworten, dass Menschen, die durchaus einen Beitrag zum Gemeinwohl leisten könnten, dies aber aus individuellen Gründen nicht wollen, trotzdem uneingeschränkt auf Kosten des leistungsbereiten Teils der Gesellschaft unterstützt werden? Im Unwissen darum, zu welchem Personenkreis man gehören wird, würde wohl kaum jemand einer solch unfairen Produktionslastverteilung zustimmen.
Auch wenn in dieser Diskussion naturgemäss ökonomische Auswirkungen oft im Vordergrund stehen, widerspricht das bedingungslose Grundeinkommen also nicht nur den wirtschaftlichen Grundlagen, sondern auch den Prinzipien einer gerechten Gesellschaft. Es verhält sich ein wenig wie mit dem Schlaraffenland, also jener Zauberwelt, in dem sämtliche Wünsche immer sofort erfüllt werden. Im Verlaufe der Geschichte erkennt der Protagonist im Normalfall, dass es sich beim Schlaraffenland lediglich um eine saturierte Illusion handelt (entsprechend abschätzig wird der Terminus heute meist verwendet). Eine Vergegenwärtigung der Implikationen des bedingungslosen Grundeinkommens lässt einen zum gleichen Schluss kommen.