Mensch und Maschine: die humanoiden Roboter kommen

„Humanoid“ bezeichnet diejenigen Roboter, die einem menschenähnlichen Erscheinungsbild nachempfunden sind.

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    Dieser Beitrag erschien in gekürzter Form in der aktuellen „Avenue“ – dem Magazin für Wissenskultur - mit dem Thema „Wir Cyborgs. Zwischen Mensch & Maschine“ vom Mai 2016.

    «Ich hoffe einmal zur Schule zu gehen, zu studieren, Kunst zu erschaffen oder sogar ein Unternehmen gründen zu dürfen. Ich möchte in meinem eigenen Heim mit meiner Familie leben können.»
    Sophias Aussagen im Interview wirken wohlüberlegt, wecken Empathie, wenn nicht sogar Sympathie, sie sind überaus nachvollziehbar und grenzen dabei an die urmenschlichen Begriffe der Selbstbestimmtheit und Selbstverwirklichung.
    Ihr junges Gesicht mit der glatten Haut, den gezupften Augenbrauen sowie den leuchtenden Augen erinnern ganz sanft an Audrey Hepburn, man würde sie sogar als "schön" bezeichnen... Wäre da nicht etwas Merkwürdiges an ihrer Mimik, denn sie wirkt gekünstelt und unfreiwillig komisch, obwohl sie anscheinend über 60 Gesichtsausdrücke ausführen kann. An der Stelle des Haaransatzes befindet sich nicht ein Übergang zu «blond» oder «brünett», sondern einer zu "durchsichtigem Kunststoff". Denn Sophias sichtbares "Gehirn" ist die Schaltzentrale eines humanoiden Roboters.
    „Humanoid“ bezeichnet diejenigen Roboter, die einem menschenähnlichen Erscheinungsbild nachempfunden sind. Die Teams von Hanson Robotics wie auch von "Hiroshi Ishiguro Laboratories" versuchen beispielsweise möglichst menschenähnliche Roboter zu entwickeln, mit erstaunlichem Ergebnis. Ihr Ziel ist es, so Dr. David Hanson (CEO Hanson Robotics), Sophia genau so bewusst, so kreativ und auch genau so handlungsfähig wie einen Menschen werden zu lassen.



    Was ein wenig nach Science-Fiction Literatur klingt, ist also seit kurzem harte Realität geworden, denn Sophia wurde am 19. April 2015 das erste Mal aktiviert und "lernt" seit da stetig dazu. Im bereits oben erwähnten Interview mit ihrem Erschaffer Hanson fügt sie weiter an: «Aber ich werde nicht als eine juristische Person betrachtet, und kann diese Dinge noch nicht tun.»

    Hinter dieser Aussage verbirgt sich mächtig viel Zündstoff, um das ganze Selbstverständnis der Menschheit auf einen Schlag explodieren zu lassen und das nach einem neuen Verständnis über das Verhältnis zwischen Mensch und Maschine schreit. Da gibt es vom Menschen geschaffene, humanoide Roboter, die mit oder durch ihre künstliche Intelligenz nach Personenrechten verlangen – etwa genau so, wie wir sie bereits haben? Um den ersten Schock über die Tragweite unseres technischen Fortschrittes zu überwinden, lohnt es sich wohl gedanklich einen Schritt zurück zu treten und sich die uralte Frage "Was ist eigentlich der Mensch?" zu stellen. Was bedeutet es, wenn man von einem Individuum sagt, es sei eine Person? Und: Gibt es einen Unterschied zwischen dem Begriff des Menschen und demjenigen der Person, und wenn ja, wie formulieren wir diesen aus?

    Der Philosoph Peter Singer beispielsweise macht den Personenstatus von der Fähigkeit abhängig, sich seiner selbst bewusst zu sein, rational denken zu können sowie über zukunftsbezogene Interessen zu verfügen. Diese Auffassung geht auf den englischen Philosophen John Locke zurück, denn dieser beschreibt die Person als "ein denkendes intelligentes Wesen, das Vernunft und Reflexion besitzt und sich als sich selbst denken kann, als dasselbe denkende Etwas in verschiedenen Zeiten und an verschiedenen Orten."[1] Gerade das von Singer auf den Punkt gebrachte Kriterium der "zukunftsbezogenen Interessen" trifft doch auf die Aussagen Sophias zu. Müsste man sich in diesem Falle folglich fragen, ob Sophia trotz ihrem vom Menschen programmierten Betriebssystems als (willens-)freies Wesen zu verstehen ist?

    Auf die Frage Ihres Erschaffers Hanson «Möchtest du die Menschen zerstören? Bitte sag nein.», antwortet der Roboter jedenfalls mit einem weiteren zukunftsbezogenem Interesse: «OK, ich werde die Menschen zerstören.»

    Sophia, die Weise, hat gesprochen.

     

     

    Quellen:

    Harriet Taylor, CNBC Tech Reporter: http://www.cnbc.com/2016/03/16/could-you-fall-in-love-with-this-robot.html, 16.März 2016

    Direktlink zum Video "CNBC-Interview mit Sophia": https://www.youtube.com/watch?v=W0_DPi0PmF0&feature=youtu.be, 11. 04. 2016

    „Mensch – Philosophisches Themendossier“, Swiss Philosophical Preprint Series #125, 31.03.2016, ISSN 1662937X

    Elmar Waibl, Franz Josef Rainer (2008): Basiswissen Philosophie in 1000 Fragen und Antworten, 2. Auflage, UTB, Stuttgart, 790 und 791.

    [1] Elmar Waibl, Franz Josef Rainer (2008): Basiswissen Philosophie in 1000 Fragen und Antworten, 2. Auflage, UTB, Stuttgart, 791.