Rassistische Diskriminierung – ein Angriff auf die Menschenwürde

Viele von uns könnten nicht auf Anhieb erklären, was Diskriminierung bedeutet, eher ringt man nach Worten und versucht eine Umschreibung.

    Die Diskriminierungsforschung steckt hierzulande noch in den Kinderschuhen. Ein allgemeines Antidiskriminierungsgesetz kennt die Schweiz im Unterschied zum restlichen Europa nicht. Rassismus und Diskriminierung stellen – und dies ist hier das Thema - einen Angriff auf die uns Kraft der menschlichen Natur innenwohnenden Würde1 dar.

    Rassistische Diskriminierung beruht auf einem Konstrukt der Ungleichwertigkeit von „Menschenrassen“ und stammt in der modernen Form aus dem 17./18. Jahrhundert, mithin der Aufklärung. Dies war auch die Zeit der Ausbildung des Kolonialismus, zu dessen Rechtfertigung die rassistische Theorie der Ungleichwertigkeit beigezogen wurde. Nach der klassischen Definition von Albert Memmi dient Rassismus der Aufwertung des Täters und der Herabwürdigung des Opfers.2 Rassismus ist eine Ideologie, die Menschen pauschal in Kategorien einteilt, ihnen unabänderliche körperliche und moralische Merkmale zuteilt und so den Einzelnen seiner Individualität beraubt. Nicht „Rassen“ in ihrer vermeintlichen Andersartigkeit schaffen also den Rassismus, sondern die Ideologie des Rassismus schafft das Konstrukt von „Rassen“, um aus dieser Unterscheidung Profit zu schlagen.3 So einleuchtend dies tönt, so oft hört man auch hierzulande: Die sind schuld, die sind so und so und stören uns in ihrer blossen Existenz. Betrachtet man die Merkmale der rassistischen Ideologie, wird rasch klar, dass das Opfer rassistischer Aggressionen einen Angriff auf seine Menschenwürde erleidet. Rassistische Hetze und Propaganda schliesslich berauben Minderheitenangehörige systematisch ihrer Menschlichkeit, setzen diese z.B. mit Tieren gleich und bereiten so das Klima vor, um die Hemmschwelle für physische Angriffe herunterzusetzen.

    Die Schweiz trat 1994 dem Internationalen Übereinkommen zur Beseitigung jeder Form von Rassendiskriminierung bei. Rassendiskriminierung ist mit Art. 261 seit 1995 unter Strafe gestellt. Zudem enthält die seit 2000 gültige Bundesverfassung in Art. 8, Abs. 2 ein allgemeines Diskriminierungsverbot „aufgrund der Herkunft, der Rasse, des Geschlechts, des Alters, der Sprache, der sozialen Stellung, der Lebensform, der religiösen, weltanschaulichen oder politischen Überzeugung oder wegen einer körperlichen, geistigen oder psychischen Behinderung“. Auch hier ist der Bezug zur Menschenwürde offensichtlich: Ein Teil der genannten Eigenschaften ist angeboren, ein anderer Teil persönlichkeitsstiftend.

    Als Straftat gelten nach Art. 261bis StGB Handlungen in der Öffentlichkeit, „die auf die systematische Herabsetzung oder Verleumdung der Angehörigen einer Rasse, Ethnie oder Religion gerichtet sind“ (Abs.2) oder die „durch Wort, Schrift, Bild, Gebärden, Tätlichkeiten oder in anderer Weise eine Person oder eine Gruppe von Personen wegen ihrer Rasse, Ethnie oder Religion in einer gegen die Menschenwürde verstossenden Weise“ herabsetzen oder diskriminieren (Abs. 4). Dazu gehört auch das Leugnen von Völkermord – ausgehend von der Vorstellung, dass es die Menschenwürde der Nachkommen von Völkermordsopfer verletzt, wenn dies in Abrede gestellt wird. Auch die Verweigerung einer öffentlich Angebotenen Leistung ist strafbar. Es kommt den Richtern zu, im Einzelfall zu beurteilen, ob die Menschenwürde verletzt ist. Im Februar 2014 fällte das Bundesgericht den Entscheid, dass „Drecksasylant“ zwar eine einfache Beschimpfung sei - Beschimpfungen aufgrund eines Minderheitenmerkmals in Verbindung mit "Dreck-", "Sau-" etc. würden aber generell "nicht als Angriffe auf die Menschenwürde" empfunden.4 Ein sehr fragwürdiges Urteil, weil es um die Herabwürdigung eines Menschen geht, der auf der untersten sozialen Stufe steht, und den Angriff auf die Menschenwürde äusserst restriktiv auslegt. „Wäre [diese Einschätzung] richtig, so würden Äusserungen wie die in Erw. 2.2.2. genannten "schwarze Sau", "Dreckjugo", "Saujude" a priori nicht unter die Antirassismus-Strafnorm fallen“, schreibt humanrights.ch.5 Fremdenfeindliche Äusserungen, auch Politplakate in der direktdemokratischen Auseinandersetzung mit solchem Inhalt, gehören in der Schweiz zur Meinungsäusserungsfreiheit.

    Schliesslich kann man sich fragen, worum es jenen geht, die seit Bestehen der Rassismusstrafnorm im Parlament rund ein dutzend Mal deren Abschaffung oder Beschneidung forderten. Eine solche Motion ist auch jetzt wieder hängig.6 Geht es ihnen exklusiv um ihre eigene Menschenwürde und ihre Privilegien, um ihr Recht, die Meinungsfreiheit hemmungslos auszuleben und andere diskriminieren zu dürfen? Auch sind die direkten Volksrechte nicht per se ein Garant für den Respekt der Menschenwürde, auch Mehrheitsentscheide an der Urne können sich aggressiv gegen Minderheiten wenden. Deshalb braucht die Menschenwürde heute den Schutz durch das Völkerrecht.

     

    Literatur

    1 Von den zwei auf dieser Website dargestellten Theorien vertrete ich jene der in der menschlichen Natur inhärenten Menschenwürde und der daraus abzuleitenden Menschenrechte. Darauf fussen die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte der UNO und die Europäische Menschenrechtskonvention EMRK. Siehe zum Thema auch: Zeitschrift für Menschenrechte zfmr 1/2010 zum Thema Philosophie der Menschenwürde.

    2 Albert Memmi, Rassismus, Frankfurt/M, 1992, S. 164. http://www.ekr.admin.ch/themen/d376.html [20.7.2014] S. dazu auch: http://www.fb4.fh-frankfurt.de/whoiswho/gaitanides/Memmi_Rassismus.pdf

    3 Definition der Eidgenössischen Kommission gegen Rassismus.

    4 BGE 6B_715/2012.

    5 http://www.humanrights.ch/de/menschenrechte-schweiz/inneres/rassismus/gerichtsv erfahren/drecksasylant-verstoesst-bger-menschenwuerde [20.7.2014]

    6 Motion 14.3059. http://www.parlament.ch/d/suche/seiten/geschaefte.aspx?gesch_id=20143059 [20.7.2014]