Radiobeitrag bei BR2
Liebe gibt es eigentlich nicht, sagt die Frankfurter Publizistin, Politologin und Bloggerin Antje Schrupp. Das, was eine eigene Konsumindustrie antreibt mit Filmen, Büchern, Liedern, Brautkleid-Heften und kostenlosen Apps, ist eigentlich nur eine Idee. Das hat mich erst mal umgehauen - weil ich total an die Liebe glaube: Als Basis meiner Ehe, als Verbindung zwischen mir und meinen Freundinnen, als Motor, wenn ich mich für etwas engagiere.
Antje Schrupp aber sagt, die Liebe beschreibt lediglich die Qualität einer Beziehung zwischen mir und einem Menschen, einer Sache: Ich kann meine Arbeit lieben oder nicht – machen muss ich sie in jedem Fall. Ebenso gibt es Sex mit Liebe und ohne. Wir sind uns einig, dass alles, was Liebe enthält, besser ist: Ein mit Liebe gebackener Napfkuchen gefällt uns ebenso wie Menschen, die aus Liebe heiraten und das nicht, um Steuern zu sparen. Wie romantisch: Händchenhalten und abends zusammen einschlafen!
What Time Is Love? Aber gerade bei der romantischen Liebe gibt’s Probleme: Erstens ist sie eingesperrt im Schlafzimmer eines in der Regel heterosexuellen Paars. Und dann wird sie von denjenigen, die sie nicht haben, schmerzlich vermisst:
"Das ist ein ganz großes Problem bei alten Menschen, denen der Partner, die Partnerin gestorben ist, denn die fasst niemand mehr an. Weil schon das Anfassen, Händchen halten, Streicheln, haben wir unter Sexualität subsumiert. Einerseits zurecht, andererseits haben wir es damit exklusiv gemacht für das Paar und damit ganz viele Menschen, die das nicht haben, von jeder Art körperlicher Begegnung ausgeschlossen. Das finde ich ganz grausam" (Antje Schrupp).
Die romantische Liebe ist auf dem Rückzug. Offensichtlich brauchen wir hier ein Umdenken - ich will auch nicht, dass alleinstehende Alte ständig zum Arzt gehen müssen, um wenigstens ab und zu mal eine Hand zu schütteln. Wenn Liebe die Qualität einer Beziehung verbessert, reichen Care-Roboter und der Wunsch nach Romantik im Schlafzimmer eben nicht aus.
Die romantische Liebe als Leim zwischen zwei Menschen ist übrigens auf dem Rückzug, meint Antje Schrupp. Das kenne ich auch, vor allem von jüngeren Frauen: Auf der Suche nach dem perfekten Match – dem ersten Ritter, dem tapferen Schneiderlein – suchen sie im Netz den perfekten Typen, und wischen ihn dann sofort wieder weg. Sie wollen sich nicht festlegen, weil ja ein noch perfekterer auftauchen könnte.
"Und das eben in der Kombination mit der Vorstellung, die bestmögliche Qualität belohnen zu müssen mit unserer Liebe anstatt zu gucken, wo zieht es uns denn hin individuell. Das macht es sehr kompliziert und ist Ursache von sehr viel Leid, weil dieser große Stress, in der Konkurrenz der möglichen Liebesobjekte zu bestehen, macht das Leben sehr anstrengend, sehr stressig, und das alles ist der Liebe abträglich" (Antje Schrupp).
Liebe gehört in den öffentlichen Raum. Antje Schrupp will, dass die Liebe nicht mehr den Hobbystatus einer Schlafzimmervergnügung hat, sondern zurückkehrt in den öffentlichen Raum. Da fühle ich mich erst mal etwas beschämt, kriege ich nach neun Jahren Ehe zwar immer noch Herzklopfen, wenn ich nach Hause komme zu meinem Mann – aber das ist dann doch sehr privat! Antje Schrupp meint aber was anderes: Es geht ihr um einen liebevollen Umgang miteinander, um die Rückkehr der Liebe in menschliche Beziehungen auch unabhängig von romantischen.