Mit Kapitalismus gegen den Klimawandel

Weg mit dem Staat, her mit dem Privateigentum. Wie man damit das Klima rettet, verrät der fünfte Teil unserer philosophischen Miniserie zum Klimawandel.

    Dieser Artikel erschien zuerst am 9. August in Der Bund.

    Klimademo in Bern. Kollegen, Kinder, Kartonschilder: SYSTEM CHANGE, NOT CLIMATE CHANGE! Die Redezeit am Mikrofon wurde verlost, ich freue mich auf eine Vielfalt von Standpunkten. Stattdessen höre ich bald in Rot, bald in Grün: Das Problem heisst Kapitalismus und die Lösung Vergemeinschaftung der Produktionsmittel. Ich mache die Ohrstöpsel wieder rein. Mein Soundtrack: «For a New Liberty» von Murray Rothbard, ein klassischer Text des Anarcho-Kapitalismus, Hörbuchversion. Ich schliesse die Augen. Rothbard tritt ans Mikrofon. (Er ist Ökonom. Man muss nicht auf Anhieb alles verstehen, was er sagt. Anregend ist es sowieso.)

    Die Staatsquote hierzulande beträgt 45 Prozent. Der Einfluss der Politik auf die Wirtschaft ist aber grösser, als diese Zahl suggeriert. Gesetze, Gesamtarbeitsverträge, Staatsgarantien; die Nationalbank, die diese Staatsgarantien mit frisch geschöpftem Falschgeld einlöst: All das kommt zur Staatsquote noch hinzu. Die Vergesellschaftung der Produktionsmittel ist nicht Utopie, sondern Realität, und das gerade in den Sektoren, die für den Klimawandel besonders relevant sind. Der Staat besitzt oder kontrolliert vollständig oder weitgehend unter anderem: Strassen und Tunnels, grosse Transportunternehmen, Flughäfen, Landwirtschaftsbetriebe, Stromproduzenten und den ganzen Finanzsektor.

    Staatliche CO2-Monster

    Im antikapitalistischen Traum führt die Vergemeinschaftung dazu, dass der Nutzen des Wirtschaftens allen zugute kommt. Die Parlamentarier aller Parteien, die sich im Bundeshaus vereinigt haben, um die real existierende Vergemeinschaftung zu verwalten, wissen aber: Es ist ein harter Kampf, nur schon der eigenen Klientel ein paar Brocken des (durch die Vergemeinschaftung geschrumpften) Gesamtnutzens zuzuschanzen. Dass alle profitieren, ist ausgeschlossen. Denn Vergemeinschaftung bedeutet in erster Linie, die Kosten des Wirtschaftens auf die Allgemeinheit abzuwälzen.

    Vergemeinschaftung ist, wie man als Grossbank, Kleinbauer oder Atomkraftwerk seine Kosten externalisiert, das heisst, andere für die negativen Folgen seines Wirtschaftens zahlen lässt. Beispiel CO2-Abgabe: Angepriesen wird sie als gemeinschaftliches Instrument zur Internalisierung der Kosten von CO2-Emissionen. Tatsächlich zahlen ausgerechnet die grössten CO2-Emittenten nichts: Hunderte Privatunternehmen sind von der Abgabe befreit, und sofern staatliche CO2-Monster wie die Armee die Abgabe überhaupt leisten, zahlen wir sie: via Steuern.

    Per Sammelklage zum Schadenersatz

    Die Rothbard-Lösung des CO2-Problems? Weg mit dem Staat, her mit Privateigentum und Freihandel! Wenn die Wissenschaft richtig liegt, bewirken menschliche CO2-Emissionen steigende Meeresspiegel. Slumbewohner, Hotelbetreiber und Palastbesitzer könnten also dereinst per Sammelklage (vor privaten Gerichten, wie es sie lange für Seefahrt und Handel gab) von den grossen CO2-Emittenten Schadenersatz erstreiten für unterspülte Hütten, Hotels und Paläste. Analoges gilt für alle anderen Klimaschäden. Und weil es im Anarcho-Kapitalismus erstens keine Staatsgrenzen mehr gibt, hinter denen sich die Beklagten verstecken könnten, weil das zweitens alle CO2-Emittenten wissen, weil sie drittens kein Privater gegen die enormen Klagerisiken versichern würde, und weil sie viertens nicht Konkurs machen wollen, sondern Profit, emittieren sie ruck-zuck viel weniger CO2, sodass die beklagenswertesten Folgen gar nicht erst eintreten.

    Ich öffne die Augen. Am Mikrofon singt jetzt einer «Dynamit» von Mani Matter. An der nächsten Klimademo wünsche ich mir einen anarcho-kapitalistischen Block.