In den letzten Jahrzehnten hat sich ein für unsere Konsum- und Wachstumsgesellschaft eigentlich sehr merkwürdiges Bedürfnis entwickelt – die vermehrte Nachfrage nach Gütern und Dienstleistungen, die «ethisch vertretbar» sind. Dabei gibt es unterschiedliche ethische Probleme, welche durch bewussten Konsums vermieden werden sollen: die globale Klimaerwärmung, die soziale Ausbeutung von Arbeitnehmenden in Drittweltländern, die Verschmutzung von Gewässern und Landschaften, die unwürdige Behandlung von Tieren, Kinderarbeit und viele mehr.
Es liegt auf der Hand, dass man als Konsument*in eine Mitschuld an den genannten Problemen besitzt. Man schafft eine Nachfrage und dadurch ökonomische Anreize für die produzierenden Unternehmen, ein ethisch fragwürdiges Produkt herzustellen. Durch die Nachfrage nach bestimmten Produktionsstandards kann man hingegen die Produktionsweise mitbeeinflussen. Es gibt also gute ethische Gründe für ethischen Konsum, da es in der heutigen Welt viele Herausforderungen gibt, die unbedingt nach der Anpassung unserer Verbrauchs- und Produktionsweisen verlangen.
In diesem Artikel will ich dies nicht in Abrede stellen. Es ist sicher besser, anstatt eines sehr umweltbelastenden Produkts, welches viele Ressourcen verbraucht und zu dessen Produktion Menschen unter schlechten Arbeitsbedingungen eingesetzt werden, ein umwelt- und sozialverträgliches Produkt zu konsumieren.
Im Folgenden sollen jedoch die individuellen Beweggründe für ethischen Konsum kritisch hinterfragt werden. Es soll aufgezeigt werden, dass dieser Konsum nicht bloss moralisch motiviert ist. Hinter ethischem Konsum steht ein Motiv, das ganz ursächlich für unsere Konsumgesellschaft ist – die Nachfrage nach Status. Dieser Artikel problematisiert dies und erläutert, inwiefern ethischer Konsum als Statuskonsum ein Problem für die Gerechtigkeit verursacht.
Konsumentinnen und Konsumenten können heutzutage unter einer Vielzahl von vermeintlich ethisch produzierten Gütern und Dienstleistungen auswählen. Es gibt nicht nur standardisierte Produktionsweisen, Auflagen für die Ausgestaltung von Produkten, sondern auch Labels, oder Unternehmen, die ihre Ethik-konforme Produktionsweise bewerben.
Natürlich genügt dabei nicht jedes Produkt, das den Anschein macht, nachhaltig oder fair hergestellt worden zu sein, diesen Ansprüchen auch auf einer kritisch-reflektierten Ebene. Zwischen dem, was als «ethisch» verkauft wird und dem was tatsächlich ethisch vertretbar ist, muss differenziert werden. Ich will nun aber nicht infrage stellen, dass gewisse Produkte tatsächlich ethisch (d.h. auf einer reflektiven Ebene) besser oder vertretbarer sind als andere. Und die Tatsache, dass es Ausnahmen gibt, rechtfertigt nicht die These, dass wir nicht grundsätzlich Produkte mit ethischem Anspruch anderen Produkten vorziehen sollten.
Es gibt aber auch Gründe, gegenüber ethisch produzierten Konsumgütern skeptisch zu sein.
Ein Unterschied zwischen «ethisch» und «nicht-ethisch» produzierten Gütern, der sich ganz klar zeigt, ist der Preis. Erstere sind i.d.R. günstiger, letztere hingegen nur gegen einen signifikanten Aufpreis erhältlich. Diese Preisdifferenz ist zumeist deshalb auch gerechtfertigt, da es für eine nachhaltige und faire Produktion teurerer Investitionsgüter (Ressourcen und Maschinen) und v.a. höherer Löhne bedarf.
Der Preisunterschied reflektiert aber nicht nur die Kosten der Produktion, sondern wird auch genutzt, um Zahlungsbereitschaften zu «diskriminieren». Die Preisdifferenz wird schon seit den Anfangszeiten unserer Konsumgesellschaft dazu verwendet, ein bestimmtes Signal zu setzten: Reichere Personen können sich von Ärmeren Personen abgrenzen, indem sie die teureren Produkte kaufen. Durch ihren Kauf können sie anderen Individuen mitteilen, dass sie ein höheres Einkommen haben und sich entsprechend mehr leisten können. Sie ordnen sich dadurch in eine höhere gesellschaftliche Klasse ein.
Dieses Phänomen kann auch als Statuskonsum oder Geltungskonsum (auf Engl. conspicious consumtion) bezeichnet werden. Es wurde bereits Anfang letzten Jahrhunderts vom amerikanischen Soziologen Thorstein Veblen als einer der stärksten Wachstumsmotoren unserer Wirtschaft erkannt.[1]
Nun liegt ein Motiv, das für bestimmte Individuen hinter dem Kauf von teureren, als ethisch vertretbar angepriesenen Gütern steckt, darin, sich von anderen Leuten abgrenzen können. Wenn man sich vor Augen führt, welche Beweggründe Leute dazu führen, sich für sehr viel Geld einen Tesla zu kaufen, anstatt eines herkömmlichen Elektroautos, wird klar, dass es hier nicht alleine um das Umweltbewusstsein gehen kann. Das Ziel ist ein Statusgewinn.
Eine solche Art des Konsums ist meines Erachtens moralisch nicht über alle Zweifel erhaben. Das Problem dieser Konsumform besitzt im Gegensatz zum Konsum z.B. zur Bedürfnisbefriedigung zwei Dimensionen:
Erstens ist Status ein «relatives Gut»: Des Einen Status definiert sich im Verhältnis zum Status des Anderen. Wenn sich eine Person durch den Kauf eines Gutes gegenüber den anderen Individuen aufwertet (d.h. ihren eigenen Status erhöht), dann kann sie dies nur auf Kosten der anderen tun. Die konsumierende Person «degradiert» somit andere Individuen durch ihren Konsum.
Zweitens ist Statuskonsum ein «Nullsummenspiel». Er führt aus volkswirtschaftlicher Sicht nur scheinbar zu mehr Wohlstand. Zwar kreiert Geltungskonsum mehr Nachfrage. Dies wiederum ermöglicht einem Ausbau der Produktion. Zuletzt wächst dadurch die Wirtschaft und die Teilnehmenden verfügen über ein grösseres Einkommen.
«Substantiell» sind die Personen dadurch aber nicht bessergestellt. Weil Status relativ ist, sind alle Personen zusammengenommen in der Summe weder besser noch schlechter gestellt. Der Wohlstand steigt nicht, wenn sich eine Person gegenüber anderen aufwertet, da gleichzeitig die anderen abgewertet werden. Das nun grössere Einkommen, muss von den Mitgliedern einer Gesellschaft dafür verwendet werden, nicht im Vergleich zum Status anderer zu sehr abzufallen.
Dieses Phänomen wird mit dem Begriff «Tretmühlen-Effekt» bezeichnet.[2] Das Streben nach Status durch Konsum führt zu einer erhöhten Nachfrage nach Statusgütern. Wenn diese Güter aber (durch die relative Abwertung der Nicht-Konsument*innen) gleichzeitig ebenso viele Bedürfnisse kreieren, wie sie befriedigen, dann verbessert der Konsum dieser Güter die Gesamtsituation nicht. Der Wohlstand wird dadurch nicht gesteigert. Eine Wirtschaft, welche Statusgüter herstellt, verhält sich somit wie ein Hamster in einem Laufrad – sie rennt und rennt und kommt nicht voran.
Die privilegierten Menschen setzen sich also durch ihren Konsum von armen und minderbemittelten Personen ab. Sie unterscheiden sich von der gemeinen Masse und signalisieren ihnen, dass sie sich mehr und bessere Produkte leisten können. Dies führt einerseits zu einer signalisierten Hierarchie der Klassen und andererseits zu einer wirtschaftlichen Tretmühle.
Letzteres Phänomen ist für sich genommen weder etwas Gutes noch etwas Schlechtes. Allerdings ist ein erhöhter Bedarf an Konsumgütern (auch wenn sie «ethisch» produziert sind) sicher nicht die beste Lösung für das zugrundeliegende Problem. Viel eher sollte man auf Konsum verzichten. Dies vor allem mit Blick auf das Problem der Emission von Treibhaus-Gasen. Aber diese Forderung soll hier nicht weiter verteidigt werden.
Erstere Eigenschaft des Statuskonsums besitzt m.E. hingegen aber etwas moralisch höchst Bedenkliches. Bei ethischen Konsumgütern erhält diese Abgrenzung durch Statuskonsum eine zusätzliche Komponente: Die Personen, die es sich leisten können, diese Güter zu kaufen, grenzen sich nicht bloss mit ihrem signalisierten Einkommen von ärmeren Personen ab, sondern auch mit einem signalisierten moralischen Bewusstsein. Sie stellen sich somit in gewisser Weise nicht bloss als wohlhabendere sondern auch als bessere Menschen dar.
Der Klassenunterschied wird somit nun nicht nur materiell signalisiert, sondern auch in Bezug auf die Tugendhaftigkeit und das moralische Gewissen. All jene, die sich die teureren ethischen Güter nicht leisten können, müssen nun damit leben, einen schlechteren moralischen Ruf zu geniessen.
Und auf dieser Grundlage möchte ich die im Untertitel gestellte Frage erneut aufgreifen: Ist es moralisch richtig einen Tesla zu fahren?
Die Antwort lautet wie folgt: Wenn man ohnehin einen Sportwagen erwerben will, dann ist es wohl der Umwelt zu liebe besser, ein Elektroauto zu kaufen als einen Wagen mit Verbrennungsmotor. Noch besser ist es aus moralischer Sicht aber, keinen Sportwagen zu kaufen. Denn durch den Konsum des Gutes und das Signal, das der Konsum des Gutes gegen aussen vermittelt, degradiert man andere Leute. Man erhebt den «moralischen Zeigefinger» und reklamiert für sich die Rolle des edlen Ritters, der den Klima-Wandel verhindert, während sich andere dies schlicht nicht leisten können.
[1] Veblen, Thorstein. 2007. A Theory of the Leisure Class, orig. 1899. New York: Cosimo, 43ff.
[2] Frank, Robert H. 2010. Choosing the Right Pond: Human Behavior and the Quest for Status, orig. 1985. New York: Oxford University Press, 121 ff.