Existiert die Frau?

feministisch-phänomenologische Überlegungen in Anschluss an Iris Marion Young

    Frauen hatten (und haben) einerseits die hegemoniale Geschlechterhierarchisierung, -differenz und -asymmetrie zu dekonstruieren und hatten (und haben) andererseits gerade auf der Grundlage der Differenz ihrer Körperlichkeit und Leiblichkeit Rechte für sich als Frauen zu erkämpfen.[1]

     

    Die Politikwissenschaftlerin und feministische Phänomenologin Iris Marion Young (1949-2006) versteht ihren Aufsatz „Throwing like a girl“ (einer der bedeutendsten Aufsätze der 2. Welle des Feminismus) primär als den Versuch, „eine Lücke zu füllen, die sowohl in der Existentialphänomenologie als auch in der feministischen Theorie besteht.“[2] Ziel ihres Essays ist es, diese Lücke im Rahmen der Studie einiger „grundlegenden Modalitäten weiblicher Körperhaltung, Bewegungsweisen und Raumbeziehungen“ [3] zu schliessen, um bestimmte, typische Verhaltensweisen von als weiblich gelesenen Personen in unserer Gesellschaft greif- und nachvollziehbar zu machen, wobei leibliche Habitualisierungspraxen gerade für machtheoretische Überlegungen fruchtbar gemacht werden. Daran anschließend liest Steffen Hermann Youngs Aufsatz als ein Sichtbarmachen der „gesellschaftskritischen Potenziale einer Theorie der Leiblichkeit für die feministische Theorie.“[4] Youngs Essay leistet demnach einen wertvollen Beitrag zur Öffnung der Phänomenologie hin zur philosophischen Gesellschaftskritik – konkret zur feministischen Theorie.

    Wir wollen in diesem Artikel die von Young implizierte, leibesphänomenologische Kritik an der genannten Lücke (in der Phänomenologie aber gerade auch in der feminsitischen Theorie) beleuchten und ihre theoretischen Implikationen in den Vordergrund rücken. Meine These lautet, dass wir in Youngs Essay einen produktiven Anknüpfungspunkt an eine der grundlegendsten Problematiken der feministischen Theorie vorfiguriert finden. Dabei zeichnen sich die folgende Fragestellungen ab: In welchem Kontext entsteht die von Young angedeutete Lücke, die Ignoranz gegenüber der gelebten Bewegungen von als weiblich gelesenen Personen gerade in der feministischen Theorie? Und inwiefern vermag Young diese Lücke zu füllen, ohne erneut in die Falle des biologischen Determinismus und der Naturalisierung von Weiblichkeit zu tappen? Diese soll im ersten Teil dieser Arbeit umrissen werden. Ich werde argumentieren, dass die Lücke in der feministischen Theorie deshalb entsteht, weil sie auf einen spannungsgeladenen Körperbegriff rekurriert, welcher einer leibes-phänomenologische Ergänzung bedarf. Mit Youngs Beauvoir-Kritik wiederum – und diese untersuche ich in einem zweiten Schritt – soll zuletzt exemplarisch beleuchtet werden, warum gerade die leibes-phänomenologische Herangehensweise eine Lücke der feministischen Theorie zu füllen vermag.

    1. Von welcher Lücke sprechen wir?

    Seitens der Phänomenologie entsteht die von Young vorgebrachte Lücke aus den folgenden Gründen: Die „maskulinistisch ausgerichtete Tradition“ [5] vernachlässigt durch die Universalisierung der männlichen Perspektive die spezifisch weibliche Erfahrung. Der Phänomenologie wird (zu Recht) vorgeworfen, ein feministisches Desinteresse an den Tag zu legen, sprich, die feministische Kritik zu lange ignoriert zu haben. Die Diagnose lautet, dass der cartesianische Geschlechterdualismus auch vor den Toren der Phänomenologie nicht halt gemacht hat, sodass sich selbst die Existentialphänomenologie als eine androzentrische Herangehensweise auf die Welt entpuppt.[6]

    Auf die Entstehung der Lücke seitens der feministischen Theorie möchte ich im Folgenden genauer eingehen. Die These ist, dass sich diese Lücke aus dem in der feministischen Theorie zentralen und gleichzeitig sehr ambivalenten Körperbegriff ergibt. Denn im spannungsgeladenen Diskurs um den Körperbegriff vernachlässigt die feministische Theorie – genau wie schon die Phänomenologie – die spezifisch weibliche Existenzweise. Es mag auf den ersten Blick erstaunen, dass gerade in der feministischen Theorie dieselbe Lücke wie in der oft auch von ihr kritisierten Phänomenologie besteht. Es lohnt sich deshalb, einen Blick auf die Entstehung der Lücke zu werfen, die wie gesagt ihren Ausgangspunkt beim Körper nimmt: In der feministischen Theorie besteht eine Spannung, die zwischen dem Körper als materielle Tatsache einerseits, und dem Körper, begriffen als Effekt von Konstruktion andererseits entsteht – eine Spannung über die rege Diskurs geführt wird und die paradigmatisch für die Moderne steht, wie Ulle Jäger konstatiert:

    Im Diskurs der Moderne steht der Körper für die harten Fakten der empirischen Realität. Gleichzeitig wird der Körper jedoch im Kontext von historischen und kulturellen Unterschieden gesehen und somit die Rede vom natürlichen Körper unmöglich gemacht.“[7]

    Konkret bedeutet das: Der Körper wird in gewissen Strömungen der feministischen Theorie naturalistisch begriffen. Andernorts, zum Beispiel mit Butlers Unbehagen der Geschlechter, muss der Körper als „Ort der Konstruktion par exellence“ [8] verstanden werden.

    Die naturalistische Sichtweise entpuppt sich nun weitgehend als biologischer Determinismus. Sprich, als weiblich gelesenen Personen werden ahistorische und von der Kultur unabhängige Wesensmerkmale zugeschrieben, die sich durch die körperliche Beschaffenheit „der Frau“ erklären lassen sollen. Die soziale Rolle und die gesellschaftliche Position „der Frau“ (gender) steht hier in einem kausalen Zusammenhang mit ihrem anatomisch-biologischen Geschlechtskörper (sex) – gender als Emanation von sex. Voraussetzung dieser Position ist die Annahme eines ahistorischen materiellen Körpers, der entweder vordiskursiv neutral und immer schon entweder weiblich oder männlich ist.[9] „Vorteil" dieser Position innerhalb der feministische Theorie ist, dass der Körper eine Konstante bietet, von der aus die Exklusion von weiblichen Körpern aus der westlichen, weißen und männlich dominierten Philosophie und den großen, quasi-universalistischen Entwürfen sichtbar gemacht wird.

    In radikal konstruktivistischen Positionen hingegen entpuppt sich das Phänomen, Geschlecht materiell körperlich zu leben, sowie die scheinbar biologisch-anatomische Grundlage dieses körperlichen Erlebens als Basis des heteronormativen Zwangs. Denn das Modell der Zweigeschlechtlichkeit und die scheinbar ahistorisch evidente Unterscheidbarkeit zweier Geschlechter muss – in Anschluss an die wichtigen geschichtlichen Untersuchungen von bspw. Thomas Laqueur – als Konsequenz von patriarchalen Herrschaftsverhältnissen interpretiert werden.[10] In radikal konstruktivistischen Positionen erweist sich die Materialität des Körpers somit schlussendlich „als eine diskursiv erzeugt ‚Illusion‘ oder ‚Fiktion‘“.[11] Konkret bedeutet dies, dass das biologische Geschlecht (sex) nicht bloß als kulturell erzeugt, sondern die Unterscheidung von sozialem und biologischen Geschlecht vollständig diskursiv aufgelöst wird. Genau besehen hat „die Frau“ nun also „nicht mal mehr eine materielle körperliche Realität.“[12] „Vorteil" diese „körperlosen“ Ausgangslage ist es, dass soziale und diskursive Machtrelationen als sich im und am, oder sich als Körper materialisierende patriarchale Herrschaftsverhältnisse explizit herausgearbeitet werden können, und damit die diskursiven Bedingungen, „unter denen so etwas wie das biologische Geschlecht überhaupt Gegenstand zu werden vermag“ [13], examiniert werden können.

    Naturalistische Feminist*innen begreifen den Körper also als eine ahistorische und materielle Konstante, die, in verschiedenen Graden, biologischen oder zumindest anatomischen Determinismen unterliegt. Konstruktivist*innen wiederum verstehen die menschlichen Körper als normierte und determinierte Effekte und als die soziale Praxis ausführende Agent*innen. In beiden Fällen muss der weibliche Körper als von außen, von der Natur oder der Kultur determiniert verstanden werden.[14] Und genau hier formuliert sich nun diejenige Lücke, die Young in der feministischen Theorie feststellt: die konkrete Situationsgebundenheit der subjektiv gelebten Körper, die spezifischen Existenzweisen, geraten aus dem Blick. Die immer schon leibliche Erfahrung wird jedoch nicht nur in denjenigen Positionen außer Acht gelassen, die sich entweder als radikal naturalistisch oder aber konstruktivistisch begreifen. Vielmehr sind viele feministische Theoretikerinnen bewusst oder auch unbewusst der Ambiguität ausgesetzt, die ein unklarer, fluktuierender Körperbegriff mit sich bringt.[15] Dabei geht vergessen, ebendiesen als gelebten Leib mit weltkonstiutierender Funktion zu berücksichtigen.

    2. Youngs Kritik an Simone de Beauvoir

    Die soeben skizzierte Kontextualisierung der von Young angeklungenen feministisch-theoretischen „Lücke“ soll nun im Folgenden das kritische Korrektiv bilden, vor welchem ich Iris Marion Youngs Simone de Beauvoir-Kritik abhorchen möchte: Mit ihrem Essay „Throwing like a girl“ untersucht Young die Modalitäten weiblicher Körperhaltung, Bewegungsweisen und Raumbeziehungen, welche sie als Ausdruck einer elementaren Spannung zwischen Immanenz und Transzendenz versteht. Ebenso untersicht sie die Auswirkungen und konstitutiven Komponenten, welche die kulturelle Zurichtung, die Vergeschlechtlichung des weiblichen Körpers und seine ständige Konfrontation mit dem männlichen Blick auf unser motorisches Körperverhalten, unsere Bewegungen und unser In-der-Welt-sein haben. Dabei handelt es sich bei Youngs Analyse um eine phänomenologische Herangehensweise, die sich, in einen existentialistischen Rahmen gebettet, aus der Überlagerung (superimposition) Beauvoirs Theorie der Situation und Merleau-Pontys Theorie des gelebten Körpers, sprich des Leibes ergibt. Wollen wir verstehen, wieso Youngs Essay die Lücke der feministischen Theorie zu füllen vermag, so lohnt es sich, zumindest einen der beiden existential-philosophischen Anhaltspunkte zu beachten, an denen sich Young orientiert:

    Simone de Beauvoir wehrt sich vehement gegen jede ahistorische oder gar natürliche Manifestation einer essence feminine. In Das Andere Geschlecht beschreibt sie Frauen als vollends durch ihre Situation definiert, bestimmt durch ihre historischen, kulturellen, sozialen und ökonomischen Grenzen. Dabei betont sie, dass physiologische und hormonelle Eigenschaften Frauen besonders belasten, weil sie sie an die Immanenz, an die Natur und die „Erfordernisse der Arterhaltung“ ketten. Wenn Beauvoir vom Körper spricht, dann neigt sie dazu, sich vor allem auf die weibliche Physiologie zu konzentrieren, welche, zusammen mit den hormonellen Veränderungen in der Pubertät, Frauen ihren Körper erfahren lässt. De Beauvoir zeichnet damit „den Körper der Frau“ entschieden als Ort der Unfreiheit. Doch betont sie zugleich die Konstruiertheit der Kategorie des Weiblichen, wie hier in einem Interview mit Alice Schwarzer sehr deutlich wird: „Das Ewig Weibliche ist eine Lüge, denn die Natur spielt bei der Entwicklung eines Menschen eine sehr geringe Rolle, wir sind soziale Wesen.“[16] Young kritisiert an De Beauvoir nun die Art und Weise, wie sie auf die körperliche Situation von Frauen zu sprechen kommt. Zwar gebe sie im generellen einen Überblick über die Situation von Frauen "von bemerkenswerter Tiefe, Klarheit und Brillianz", doch erweist sich Beauvoirs Tendenz, sich auf die offensichtlichen Umstände der Physiologie der Frau zu konzentrieren, als problematisch. Young kritisiert, dass de Beauvoir keinen genügend großen Bogen um die „natürlichen Gründe“ der Unterdrückung der Frau mache, sodass der Eindruck aufkomme, als sei es die „weibliche Anatomie und Physiologie als solche“, die den unfreien Status der Frau bestimmen (eine geheimnisvolle physiologisch-anatomische essence feminime).[17] Young weist zurecht darauf hin, dass Beauvoir mit der Betonung der hormonellen und physiologischen Bestimmtheit von als weiblich gelesenen Personen die determinierenden Tendenzen übernimmt, die sie doch eigentlich vermeiden möchte. Die Orientierung und der Status des weiblichen Körpers werden dabei, sofern er sich in lebendiger Handlung auf die Umgebung bezieht, weitgehend ignoriert. Oder mit Youngs Worten: Beauvoir lasse die „Situationsgebundenheit der wirklichen Körperbewegung der Frau“ außer Acht und versäume es gleichzeitig, „der Orientierung des weiblichen Körpers einen Platz zuzuweisen, sofern er sich in lebendiger Handlung auf seine Umgebung bezieht.“ [18] Beauvoir ginge es demnach nicht um gelebte Körper, sondern eher um die abstrakten Verwirklichungsmöglichkeiten ebendieser.

    Young filtriert in ihrer Beauvoir-Lektüre also genau dasjenige Spannungsfeld heraus, in welches der Körperbegriff der feministischen Theorie, wie wir in Abschnitt 1) feststellen konnten, paradigmatischerweise eingebettet ist: Auf der einen Seite rekurriert Beauvoir immer wieder auf ein naturalistisches Körperverständnis, wonach „die Frau“ zum gewissen Grade doch durch ihre Physiologie determiniert ist, andererseits konzentriert sich Beauvoir so stark auf die abstrakten Verwirklichungsmöglichkeiten von als weiblich gelesenen Personen, dass der gelebte Körper aus dem Blick gerät.

    3. Wie füllt Young die Lücke?

    Dieses Manko möchte Young beheben. Doch wie genau gelingt es Young nun, die Lücke zu füllen? Im ersten Teil dieses Essays wurde ausführlich das Spannungsfeld diskutiert, in welchem der Körperbegriff in der feministischen Theorie zu begreifen ist. In beiden Positionen gilt der Körper als von außen determiniert, einmal durch die Kultur, einmal durch die Natur. Der nicht zu vernachlässigende Punkt, warum Youngs Herangehensweise so wichtig für die feministische Theorie sein kann, wird ersichtlich, sobald wir bemerken, dass Young nicht nur untersucht, welchen Einfluss die Welt von außen auf als weiblich gelesene Personen hat, sondern ausgehend vom erfahrenen und existierenden Leib darauf hinweist, dass als weiblich gelesene Personen in der Art und Weise ihres in-der-Welt-Seins eine andere Räumlichkeit, ihre eigene Welt konstituieren. Sprich: Ich habe nicht bloß einen Körper, sondern ich bin auch immer schon Leib. Den konkret gelebten Leib, empfinde ich als meinen Leib, der immer schon mit dabei ist, wenn Determinismen auf meinen objektiven und objektivierten Körper einwirken und sich mir einverleiben. Je nachdem welche, und wie ich als Mensch verschiedene Determinismen inkorporiere, entwickle ich einen „besonderen Stil des Körperverhaltens“ [19], einen gewissen Zugang zur Welt, der dann eventualiter typisch ist für die weibliche Existenz.

    Um hier ein konkretes Beispiel für Youngs Herangehensweise zu nennen: Da für viele von uns als weiblich gelesenen Personen konstant die Möglichkeit besteht, angestarrt zu werden; wir potentiell beständig einem objektivierenden Blick von außen ausgesetzt sind, entwickeln wir selbst eine Modalität des Positioniert-seins, die wiederum verhindert, uns ungehemmt intentional nach außen zu richten.[20] Als weiblich gelesenen Personen werden von außen bedrängt und objektiviert, bspw. besteht faktisch eine viel größere Gefahr für weiblich gelesene Personen, Opfer sexualisierter Gewalt (oft im öffentlichen Raum, aber am häufigsten in den eigenen vier Wänden) zu werden. Diese oft zu stille, aber ständig pulsierende Bedrohnis bewirkt – und das scheint die feministische Theorie zu übersehen – dass als weiblich gelesene Personen eine gewisse Modalität des Zur-Welt-Seins, eine ganz spezifische Existenzweise entwickeln, wodurch sie sich beispielsweise viel vorsichtiger bewegen und leben als ihre männlichen Mitmenschen. Da ein Sich-nach-außen-richten bedeuten würde, sich selbst noch stärker zu exponieren, sich erneut zum Objekt zu machen, bewegen sich „Frauen“ verschlossener als „Männer“.[21] Und einem Menschen, der sich in seiner Welt einschließen und nach außen abriegeln muss, dem ist eine viel kleinere Welt zugänglich, dem stehen damit viel weniger Möglichkeiten offen, frei in der Welt zu existieren. Genau diese eingeschränkte und gehemmte, aber doch gelebte, leibliche Existenzweise lässt die feministische Theorie außer Acht. Die Lücke in der feministischen Theorie entsteht also, weil der Körper als ausschließlich von außen determiniert begriffen wird – und damit die konkret weibliche Erfahrung unberücksichtigt bleibt, die doch eigentlich der Ausgangspunkt der feministischen Kritik sein sollte.

    Dieses Essay darf nun also als ein Vorschlag dafür gelesen werden, wie die Phänomenologie der Leiblichkeit anknüpfungsfähig gemacht werden kann an andere philosophische Bereiche – selbst wenn sie wie die feministische Theorie, der Phänomenologie teilweise sehr stark widersprechen.[22] Wichtig ist mir, darauf hingewiesen zu haben, dass eine feministische Weiterentwicklungen der Phänomenologie der Leiblichkeit wie von Young angeboten, gerade dort (und die feministische Theorie ist, wie wir im ersten Teil des Essay gesehen haben, so ein „Ort“) zu fruchtbaren Dialogen einlädt, wo der Körperbegriff den Ausgangspunkt für Spannungen bildet – eben weil ein phänomenologischer Leibesbegriff diese Spannungen nicht bloß aufzulösen versucht, sondern Platz schafft für das Körper-haben und das Leib-sein; sprich, den Körper zwar als objektiven und objektivierten Gegenstand, gleichzeitig aber eben immer schon meinen gelebten Leib anerkennt. Dabei ist das Stichwort „mein“ sehr wichtig: Denn wie die Phänomenologie keine allgemeinen ontologischen Urteile über die Materialität des Körpers zu fällen hat, so kann sie mit ihrer Theorie der Leiblichkeit einen theoretischen Rahmen zur Verfügung stellen – und zwar dort, wo durch die Vernachlässigung der gelebten, erlittenen und erfreuten Existenzweisen eine Lücke entsteht.

     

    Literaturverzeichnis

    Gahlings, Ute: Phänomenologie der weiblichen Leiberfahrung, Freiburg/ München: Karl Alber Verlag 2006. Hermann, Steffen: „Politik der Leiblichkeit. Von Maurice Merleau-Ponty zu Iris Marion Young und Judith Butler“, in: Bedorf, T. (Hg.) und Klass, T.N. (Hg.): Leib – Körper – Politik. Untersuchungen zur Leiblichkeit des Politischen, Weilerswist: Velbrück Wissenschaft 2015, S. 61 - 83.

    Jäger, Ulle: Der Körper, der Leib, die Soziologie. Entwurf einer Theorie der Inkorporierung, Königstein/ Taunus: Helmer 2004. Maihofer, Andrea: Geschlecht als Existenzweise. Macht, Moral, Recht und Geschlechterdifferenz. Frankfurt am Main: Ulrike Helmer Verlag 1995.

    Stoller, S. und Vetter, H.: „Einleitung“, in: Stoller, S. (Hg.) und Vetter, H. (Hg.): Phänomenologie und Geschlechterdifferenz, Wien: Helmuth Vetter Verlag 1997, S. 10 – 19.

    Young, Iris Marion: „Werfen wie ein Mädchen. Eine Phänomenologie weiblichen Körperverhaltens, weiblicher Motitlität und Räumlichkeit.“, in: Deutsche Zeitschrift für Philosophie Nr. 41, 1933, S. 707 – 725.

     

    [1] Gahlings, Ute: Phänomenologie der weiblichen Leiberfahrung, Freiburg/ München 2006, S. 96., Hervorgehoben von N.W.
    [2] Young, Iris Marion: „Werfen wie ein Mädchen. Eine Phänomenologie weiblichen Körperverhaltens, weiblicher Motitlität und Räumlichkeit.“, in: Deutsche Zeitschrift für Philosophie Nr. 41, 1933, S. 709.
    [3] Young: „Werfen wie ein Mädchen“, S. 709f.
    [4] Hermann, Steffen: „Politik der Leiblichkeit. Von Maurice Merleau-Ponty zu Iris Marion Young und Judith Butler“, in: Bedorf, T. (Hg.) und Klass, T.N. (Hg.): Leib – Körper – Politik. Untersuchungen zur Leiblichkeit des Politischen, Weilerswist 2015, S. 69.
    [5] Stoller, S. und Vetter, H.: „Einleitung“, in: Stoller, S. (Hg.) und Vetter, H. (Hg.): Phänomenologie und Geschlechterdifferenz, Wien 1997, S. 10.
    [6] Im Rahmen dieses Essays kann nicht ausführlicher auf die poststrukturalistische und feministische Kritik an der Phänomenologie eingegangen werden, siehe deshalb dazu: Stoller, Silvia: „Zur poststrukturalistischen Kritik an der Erfahrung im Kontext der feministischen Philosophie“, in: Stoller, S. (Hg.), Vasterling, V. (Hg.) und Fisher, L. (Hg.): Feministische Philosophie und Hermeneutik, Würzburg 2005, S. 114-139.
    [7] Jäger, Ulle: Der Körper, der Leib, die Soziologie. Entwurf einer Theorie der Inkorporierung, Königstein/ Taunus 2004, S. 45. 
    [8] Ebd., S. 45.
    [9] Vgl. Maihofer, Andrea: Geschlecht als Existenzweise. Macht, Moral, Recht und Geschlechterdifferenz, Frankfurt am Main 1995, S. 19.
    [10] Siehe dazu: Laqueur, Thomas: Auf den Leib geschrieben. Die Inszenierung der Geschlechter von der Antike bis Freud, Frankfurt 1992
    [11] Maihofer, Geschlecht als Existenzweise, S. 49. 
    [12] Ebd., S. 76. Genau genommen stellen schlussendlich meistens selbst radikal konstruktivistische Positionen die Materialität des Körpers nicht ganz in Frage. Problematisch ist jedoch, wenn die zunächst bloß epistemologische Aussage, dass jenseits der gesellschaftlichen Konstituiertheit nichts über den geschlechtlichen Körper gesagt werden kann, ontologisch verabsolutiert wird. 
    [13] Hermann zu Judith Butler in: „Politik der Leiblichkeit“, S. 79.
    [14] Hier wird in Ansätzen eine zweite Problematik der feministischen Theorie erkennbar: Sie scheint in ihrer Argumentationslogik um den Körper innerhalb der engen Grenzen des cartesianischen Dualismus zu operieren – ein blinder Fleck, im Austausch mit der Phänomenologie gelichtet werden könnte. 
    [15] Ein Beispiel hierfür ist, dass wider Erwarten nicht nur Vertreterinnen der sex/ gender Trennung, sondern auch Feminist*innen, die sich explizit gegen die Annahme eines natürlichen geschlechtlichen Körpers und damit gegen die sex/ gender Differenzierung stellen oftmals auf einen materiellen Körper rekurrieren. Vgl. dazu: Maihofer, Geschlecht als Existenzweise, S.  
    [16] Schwazer, Alice: „Das Ewig Weibliche ist eine Lüge“, in: Emma 1997, https://www.emma.de/artikel/simone-de-beauvoir-das-ewig-weibliche-ist-eine-luege-265528, (Zugriff: 23.10.2020)
    [17] Young: „Werfen wie ein Mädchen“, S. 709.
    [18] Ebd., S. 709. (Hervorgehoben von mir)
    [19] Young: „Werfen wie ein Mädchen“, S. 711.
    [20] Ebd., S. 724.
    [21] Ebd., S. 724.
    [22] Diese Widersprüchlichkeit kommt vor allem deshalb zu Stande, weil die feministische Theorie als tendenziell poststrukturalistische Domäne begriffen wird, die auf den ersten Blick der Phänomenologie diametral entgegenzustehen scheint. Für eine versöhnliche Gegenposition siehe Stoller, Silvia: Existenz, Differenz, Konstruktion. Phänomenologie der Geschlechtlichkeit bei Beauvoir, Irigaray und Butler, Paderborn 2010,