Gedanken zu Heimat und Flucht

Feysal Abdulkadir erzählt von seiner Flucht aus Äthiopien

    1.

    "Deine Heimat zu verlieren und eine neue Heimat zu finden" ist es sehr schwer. Ich habe meiner Heimat verlassen, um mein Leben zu retten. Ich war ganz jung, als ich mein Heimatland verlassen musste. Jetzt lebe ich in einem Land, das Freiheit hat. Hier in diesem freien Land lebe ich seit Ende 2016 und hier fühle ich mich an einem sicheren Ort.

    2.

    „Chancengleichheit bedeutet für mich“ Grundsätzlich bedeutet Chancengleichheit, dass alle Menschen die gleichen Chancen haben. Dem steht meist die reale Chancenverteilung gegenüber , bei der soziale Positionen, Lebensperspektiven und individuelle Freiheiten durch die Zugehörigkeit zu einer Gruppe bestimmt werden, in die man hineingeboren oder hineingekommen ist.

     

    3.

    Ich bin als äthiopischer Staatsbürger und in Adaba Shashemane, in der West Arsi Zone, am 24. März 2000 geboren. Dort habe ich bis zur Ausreise zusammen mit meiner Familie gelebt und habe die Schule bis zur 10. Klasse besucht. Mein Vater führte ein Hotel, in welchem auch meine Mutter mitarbeitete.

    Auf Wunsch meines Kollegs brachte ich im Jahr 2015 eine Tasche zu dessen Familie . Der Bus, mit welchem ich unterwegs war, wurde an einem Kontrollposten angehalten und Beamten durchsuchten alle Personen . In der Tasche meines Kollegs wurde ein T-Shirt mit der Flagge der ABO/OLF-Partei gefunden . Deswegen wurde ich inhaftiert. Weil schließlich ein Lehrer für mich gebürgt hatte, kam ich am 17. August 2017 wieder frei.

    Ende des Jahres 2015 wurde ich von Mitschülern angesprochen und über die kritische Situation das Oromo informiert . Das hat mich politisch sensibilisiert und ich entschied mich , bei den Vorbereitungen einer Demonstration mitzuwirken. So bereitete ich Plakate vor und mobilisierte andere Schüler . Am 25 Dezember 2015 fand eine erste Demonstration statt. Es waren sehr viele Personen anwesend . Bald schon aber wurde ich von Polizisten angehalten . Diese setzteRauchbomben und Tränengas ein und schoss in die Menge .

    Zwei Tage später fand eine weitere Demonstration statt, an der ich ebenfalls teilnahm. Erneut marschierten Polizisten auf und zogen sogar Verstärkung aus anderen Städten hinzu. Es wurde wieder in die Menge geschossen und es gab Verletzte und sogar Tote . Die Demonstration wurde eingekesselt und nur mit Glück schaffte ich es zu fliehen.

    Am 30 Dezember 2015 suchten Polizisten mich Zuhause auf. Ich wurde geschlagen und mitgenommen. Man barchte mich ins Gefängnis in Shashemanet, wo ich auf engstem Raum mit ungefähr 2000 anderen Gefangenen zusammengelebt habe. Die Haftbedingungen waren schlecht gewesen und ich wurde misshandelt. Es wurde mir vorgeworfen , anderen Schüler gegen und die Regierung aufgehetzt zu haben. Später wurden ich und ungefähr zwanzig anderen Personen – darunter drei weitere Organisatoren der ersten Demonstration – separiert . Wir wurden immer wieder verhört und geschlagen

    Schließlich warnte ein mir wohlgesonnener Gefängnisbeamter mich und meine Kollegen , dass wirwohl mit einer sehr langen Haft rechnen müssten, respektive, dass ich in ein anderes Gefängnis verlegt werden könnten. Aus Angst beschlossen ich und meine Kollegen Mitinsassen beschlossen, zu fliehen. Es gelang uns , uns gegenseitig hoch zustemmen und so ein hochgelegenes Fenster einzuschlagen. Wir alle kletterten durch das Fenster undflohen. Irgendwann wurde unsere Flucht bemerkt und auf uns geschossen . Ich gehe davon aus, dass einige Flüchtige erschossen worden sind.

    Ich kehrte nach Hause zurück, fühlte mich dort aber nicht mehr sicher , weshalb ich zu meinem Onkel nach Adis Abeba (Finfinne) ging. Wenige Tage später erfuhr ich , dass ich tatsächlich wieder gesucht worden bin. Offenbar stehe mein Name auf einer Liste von gesuchten Personen. Deshalb entschied ich mich, das Land zu verlassen. Am 22. März 2016 gelangte ich illegal über das Meer nach Italien und reiste weiter in der Schweiz , wo ich am 26. Juni angekommen bin.