Wenn ich denke, dann lebe ich. Wenn ich lebe, dann denke ich. Es muss also irgendein Zusammenhang von Leben und Denken bestehen. Wenn das Leben als natürliches Leben und das Denken als geistige Tätigkeit gemeint ist, dann ergibt sich die Gegenüberstellung von Natur und Geist. Dieses Verhältnis zu erkunden, hat sich die Philosophiegeschichte seit ihren Anfängen zur Aufgabe gestellt. Der Mensch wird nicht müde, immer neue Erklärungen für den Zusammenhang von Leben und Denken sowie von Natur und Geist zu suchen. Gibt es einen Ursprung, aus dem alles natürliche und geistige Sein entspringt? Oder handelt es sich um einen unüberwindbaren Dualismus, der auch durch keine klar formulierte Theorie überwunden werden kann? Schließlich könnte auch davon ausgegangen werden, dass es ein solches Verhältnis gar nicht gebe und die Frage danach von Anfang an unsinnig sei. Die letzte Annahme kann am wenigsten überzeugen, da sich die Philosophiegeschichte mit dem Leib/Seele- bzw. Natur/Geistproblem schon immer beschäftigt, und der Mensch jeden Tag in diesem Verhältnis lebt und denkt. Mein Körper. Mein Geist. Meine Seele. In der Medizin wird dieses Verhältnis mit dem Begriff Psychosomatik ausgedrückt. Gerade im medizinischen Bereich hat der Zusammengang von Körper, Seele, Geist eine immense, konkrete Bedeutung für die medizinische Indikation. Dass es sich hier um ein wechselseitiges, dynamisches Verhältnis handelt, ist in der (Schul-)Medizin längst unbestritten und wird in den verschiedenen Disziplinen erforscht. Ein Philosoph muss sich begrifflich diesem Wechselverhältnis bzw. dieser Spannung der verschiedenen Seinsbereiche stellen. Wenn ich also im Denken nach dem Zusammenhang von Leben und Denken suche (und wenn ich mich nun in der Schrift ausdrücke, habe ich keine andere Möglichkeit, als ihn im Denken zu suchen), dann brauche ich eine bestimmte Sprache oder Logik, um mich ihm zu stellen. Auf welche Weise kann ich das natürliche Leben denken? Wenn ich denke, dann stülpe ich dem Leben ja immer schon etwas Begriffliches über, das es nicht selbst ist. Immanuel Kant löste das Problem so, indem er sagte, dass wir den lebendigen Organismus immer nur erkennen können, „als ob“ er eine Zweckmäßigkeit an sich habe. Wir können es also letztendlich nie wissen und die Natur nie ganz erkennen, sondern müssen ihre Zweckmäßigkeit postulieren. Friedrich Wilhelm Joseph Schelling sah den Geist und die Natur immer schon in einer Einheit verbunden, so dass sich beide gegenseitig enthalten. Seine Auffassung dieses Verhältnisses folgt einem romantischen Natur- und Geistverständnis.
Der Philosoph Georg Wilhelm Friedrich Hegel hat ein systematisches Angebot gemacht, mit dem ein solcher Zusammenhang gedacht werden kann. Hegels Denken vollzieht sich in Begriffen. In ihnen entwickeln sich die logischen Kategorien und die Gedanken im Allgemeinen. In Begriffen entfaltet sich auch der Geist, der eine überindivduelle Gesamtheit ist und alle Formen des objektiven und subjektiven Seins enthält. Die Entwicklung des Denkens vollzieht sich also durch den Begriff in der dialektischen Methode, die zugleich auch das Prinzip der Dinge selbst ist. Hegels Idee ist es also, einen Zusammenhang von philosophischen Begriffen und objektivem Sein herzustellen. So besteht also auch eine Verbindung von subjektivem, logischen Denken und objektivem, natürlichen Leben. Der Grund für diese Verbindung ist die systematische und strukturelle Ähnlichkeit beider Bereiche. Sowohl der Begriff als auch das Leben können sich in einem sich selbst erhaltenden Prozess zugleich teilen und vereinigen. Dabei braucht es keinen Anstoß von außen (etwa von einem göttlichen oder mechanischen Prinzip) zu geben. Gegensätze bestehen und werden zugleich in diesem Prozess vereinigt. Leben und Denken bewegen sich aus sich selbst heraus und können die inneren Widersprüche in sich aushalten. Folgt man diesem Denkmodell, dessen Methode in der Hegelschen „Wissenschaft der Logik“ auf eindrückliche und auch sehr anspruchsvolle, komplizierte Weise entwickelt wird, so lässt sich schließlich auch von einem „lebendigen Begriff“ sprechen.
Wer dem Hegelschen dialektischen Denken nicht folgen möchte oder (aus welchen Gründen auch immer) nicht kann, der sollte eine andere Methode finden, die folgerichtig und überzeugend das Verhältnis von Leben und Denken sowie Natur und Geist philosophisch fassen kann. Bis dahin werde ich weiter mit Hegels Angebot arbeiten, um mich als natürliches und geistiges Subjekt selbst zu erkennen und zu verstehen.