Über predigende Veganer

Oder: Wie ernst nehmen Sie die Ethik?

    Finden Sie Veganer zu “predigend”, zu “moralistisch” oder zu “wertend”? Ich höre manchmal von Beschwerden dieser Art. Diese wählerischen Veganer, so die Beschwerde, können doch ihre Teller mit Brokkoli und Tofu füllen, so viel sie wollen, aber warum müssen sie allen auf die Nerven gehen? Warum müssen sie ihre moralische Bedenken äussern und anderen Menschen ein schlechtes Gewissen machen? Warum können sie nicht einfach die Klappe halten und still ihren Grünkohlsaft trinken?

    Wenn Sie diese Beschwerden über Veganer teilen, dann denke ich, dass Sie die Ethik oder die Moral nicht ernst nehmen.

    Veganer sind nicht bloss Menschen, die nicht gerne Fleisch essen. Wir sind keine wählerischen Esser. Die meisten Veganer sind Menschen, die es moralisch falsch finden, Fleisch zu essen. Außerdem halten wir Fleisch essen nicht nur für eine kleine belanglose Bagatelle, sondern wir halten es für ein extremes Unrecht. Was die Menge des Elends betrifft, so überwiegt das Essen von Fleisch alle anderen von Menschen begangenen Unrechtstaten zusammengenommen, und zwar bei weitem.

    Die Gründe für diese Überlegungen sind an anderer Stelle klar und ausführlich erläutert worden und ich werde deshalb hier nichts davon wiederholen (siehe zum Beispiel mein Buch: Dialogues on Ethical Vegetarianism). Sie mögen mit unserer Überzeugung, dass Fleisch essen falsch ist, nicht übereinstimmen, aber sie ist unsere tatsächliche Überzeugung.

    Wenn eine Person nun der Überzeugung ist, dass Fleisch essen falsch ist, was soll diese Person tun? Sollte sie einfach die Klappe halten und schweigend ihren Grünkohlsaft trinken, um die Menschen, die ein schreckliches Unrecht begehen, nicht zu verärgern?

    Nein, das sollte sie nicht. Nicht, wenn man Ethik oder Moral ernst nimmt. Wenn Menschen schreckliches Unrecht begehen, dann ist es das Mindeste, ihnen zu sagen, dass es falsch ist.

    Natürlich könnte man es durchaus als ein Ärgernis betrachten, wenn man glaubt, dass Veganer diese Anschuldigungen leichtfertig vorbringen. Wenn ein Freund von mir anfängt, alles mit dem Holocaust zu vergleichen – eine Kellnerin sei wie Hitler, wenn sie seine Bestellung durcheinander bringt oder es sei ein wissenschaftlicher Holocaust, wenn ich ihn falsch zitiere, und so weiter - dann kann ich das als ein Ärgernis betrachten und meinem Freund sagen, er soll den Mund halten.

    Veganer machen jedoch keine leichtfertigen Anschuldigungen. Vegane Argumente haben eine einfache und offensichtliche Logik, die viele anspruchsvolle Philosophen für unbestreitbar halten. Wenn Fleischesser lange genug vor Verachtung inne halten, um sich mit veganen Argumenten auseinanderzusetzen, gehören die von ihnen vorgebrachten Einwände zu den absurdesten und am leichtesten zu entkräftenden Einwänden, die in der gesamten Philosophie zu finden sind. (Das ist übrigens eine weit verbreitete Einschätzung unter Menschen, die die wissenschaftliche Literatur kennen).

    Wenn Sie meine Arbeiten nicht kennen, dann könnten Sie annehmen, dass ich einfach zu selbstsicher bin und dass ich immer so was sage, wenn Menschen eine andere Meinung wie ich haben. Wenn Sie aber meine Arbeiten kennen, dann wissen Sie, dass ich so was sonst nirgends sage. Ich denke, ob Fleisch essen richtig oder falsch ist, ist buchstäblich die einseitigste Kontroverse, die es gibt.

    Auch hier könnten Sie mir widersprechen; Sie könnten denken, dass das Thema viel zweiseitiger ist, als ich es hier darstelle. Mein Punkt ist im Moment einfach der, dass Veganer keine leichtfertigen moralischen Bedenken äussern. Und ich kann auch nicht sehen, wie jemand, der sich ernsthaft mit veganen Argumenten auseinandergesetzt hat, mir in diesem Punkt widersprechen könnte.

    Wenn also eine Person ernsthafte moralische Bedenken äussert, dass ein übliches Verhalten, wie Fleisch essen, extrem falsch sein könnte und Ihre erste Reaktion darauf ist, dass das „predigend“ oder „moralistisch“ ist, dann nehmen Sie die Ethik oder die Moral nicht ernst. Ich denke, dass die meisten Menschen die Ethik oder die Moral nicht ernst nehmen. Sie nehmen die Ethik oder die Moral als eine triviale und persönliche Angelegenheit wahr, empfinden das Äussern von moralischen Bedenken als unhöflich und stören sich an Verhalten, das sich nach ethischen Prinzipien richtet.