Der Mensch und sein Kultur schaffender Geist

Zwar gibt es diverse Möglichkeiten, um den Menschen und dessen komplexe Verknüpfung mit der Welt zu beschreiben, sie alle müssen aber den Begriff „Geist“ in Anspruch nehmen – augenfällig oder verborgen. Beim genaueren Hinsehen fällt mühelos auf, dass der Begriff „Kultur“ als eine Art Resultat des agierenden menschlichen Geistes dabei behilflich sein kann.

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    Auf dieser Grundlage können dann gezielte Erklärungsversuche unternommen werden, die man etwa mit den Worten eines Nietzsches auf den Punkt bringen kann, und die wir dem Titel seiner autobiographischen Schrift entnehmen:

    „Ecce homo. Wie man wird, was man ist“.

    Dabei steht es außer Zweifel, man werde zu dem, was man sei, nicht zuletzt durch kulturelle Errungenschaften, deren erkennbare Begründung aber schon in der Bibel des Alten Testaments vorhanden ist: „[…] Gott segnete sie, und Gott sprach zu ihnen: Seid fruchtbar, und vermehrt euch, bevölkert die Erde, unterwirft sie euch […] (Gen 1,28).

    Dass der Mensch sich die Erde „unterwirft“, unabhängig von religiösen Überzeugungen, ist ein unbezweifelbares Faktum. Dadurch schafft er sich einen in der Natur fundierten Lebensraum, den man mit dem Begriff der Kultur adäquat auf den Punkt bringen kann. Der Mensch bildet also Kultur in verschiedenen Formen, entweder als persönliche Kultur wie Sprache, Wissenschaft, Sittlichkeit, Religion oder als Sachkultur wie Kunst und Technik. Außer dieser subjektiven Perspektive des Kulturbegriffs gibt es noch eine objektive. Deshalb reden wir einerseits etwa von einer Kulturwelt, die dem menschlichen Geist in ihrer Ganzheit als Basis für seine Selbstverwirklichung dient. Andererseits sprechen wir von einer Scheinkultur, die sich gegen das Wesen des Menschen richtet, und von einer Subkultur, welche lediglich von geringer gesellschaftlicher Überzeugungskraft „getragen“ ist, weil sie mit deren allgemein geltenden Standards nur wenig gemeinsam hat und stattdessen Ablehnungsakzente setzen will.

    Kultur ist also in vielerlei Hinsicht aufs engste mit dem menschlichen Geist verknüpft. Und der Geist ist der Schöpfer der Kultur, er bewegt sich in den ihm zur Verfügung stehenden Lebensräumen, kann diese entweder verantwortungsvoll gestalten oder missbrauchen, indem er sie verschiedenen, nicht selten von ihm selbst verursachten zerstörerischen Faktoren preisgibt. Durch eine Analyse des Geistes kann die Kultur implizite erschlossen werden, zumal sie als Pflege und Ausbildung menschlicher Fähigkeiten über den bloßen Naturzustand hinaus begriffen wird, d.h. als Geistesbildung.

    Jedes „Unterwerfen“ eines Seienden durch den Geist ist ein komplexer Prozess, welcher primär auf das menschliche Erkenntnisvermögen angewiesen ist. Bezogen auf den Begriff des Bewusstseins, in dessen Funktionen der Geist zur Erscheinung gelangt, können wir durchaus behaupten, dass das reflexive Bewusstsein uns ermöglicht, zwischen Ich, Akt und Objekt zu unterscheiden, uns gleichsam von ihnen zu distanzieren und nach gegenseitigen Beziehungen, nach logisch-formalem, erkenntnistheoretischem und ethischem Wert zu fragen. Unter all diesen Aspekten präsentiert sich die „Geisteskultur“ in ihrer ganzen Breite. Aufgrund der Leistungen des Geistes trägt sie seine Merkmale, erscheint in diversen Formen und will erfassbar bleiben. Die Prozedur des Erfassens kann allerdings auf zwei diametral verschiedenen Wegen vonstattengehen. Angesichts der naturwissenschaftlich bedingten Verständnisprobleme von Lebensprozessen und mentalen Geschehnissen werden zum einen Versuche unternommen, mentale Prozesse auf physikalische Ereignisse zu reduzieren; es ist der Weg des sogenannten Naturalismus. Zum anderen wird behauptet, dass die lebensweltlichen Phänomene aus sich selbst zu deuten sind, weil sie ursprünglich sind. Im Klartext bedeutet das, mentale Phänomene lassen sich nicht auf naturwissenschaftlich aussagbare Wirklichkeiten reduzieren. Dieser Gegensatz wird auf dem Gebiet des Bewusstseins sichtbar. Selbst wenn einige Aspekte des Bewusstseins sich mit den Mitteln der Neurowissenschaften analysieren lassen, lässt sich das Bewusstsein selbst, so wie es jeder Mensch beim Wahrnehmen seiner alltäglichen Aufgaben versteht, nur subjektiv erfahren und wird deshalb „phänomenales Bewusstsein“ genannt. Das phänomenale Bewusstsein zeichnet sich durch phänomenale Qualitäten aus, welche keineswegs naturalistisch reduziert werden können.

    Beim Schaffen der Geisteskultur kommt also dem Geist und Bewusstsein – aus Sicht der Neurowissenschaften auch dem Gehirn – eine prinzipielle Bedeutung zu, so dass man mit Recht sagen kann, dass in diesen Begriffen Geisteskultur begründet liegt. Ihre Auswirkungen gehen jedoch über die Grenze dieser drei durch die Natur geprägten Begriffe hinaus und erweisen sich auf dem Gebiet der virtuellen Wirklichkeit als fruchtbar, also auf dem durch das künstliche Bewusstsein bzw. die künstliche Intelligenz gefassten Feld. Wollen wir dieses Feld angesichts der heute geltenden Lage sinnvoll abgrenzen, so kommen wir ohne Begriffe wie Computer oder Internet nicht mehr aus.

    Da die Geisteskultur die Existenz des Geistes voraussetzt, muss der Geist selbst einer Analyse unterzogen werden. Eine Analyse des Geistes lässt sich jedoch in der gegenwärtigen philosophischen Debatte ohne den Begriff des Bewusstseins und des Gehirns kaum durchführen; der Geist geht in den Funktionen des Bewusstseins und des Gehirns auf. Diese beiden Begriffe stellen ferner eine notwendige Voraussetzung für das künstliche Bewusstsein und die künstliche Intelligenz dar. Was wir nun als Menschen sind, wird auch in der Zukunft am Begriff der Kultur gemessen werden, die sich dem bewussten, in der Natur fundierten und das Virtuelle gestaltenden Geist verdankt.


    Der Mensch und sein Kultur schaffender Geist - eine Skizze der Analyse aus philosophischer Sicht

    Vgl. dazu auch Rynkiewicz, K., Zur Begründung der „Kultur des Geistes“. Eine Analyse zur Ontologie des Bewusstseins, Krakau 2010.