Ökonomen streiten sich über Vieles. In einem sind sie sich jedoch derzeit einig: In allen entwickelten Wirtschaften nimmt der Anteil der Löhne am Bruttoinlandprodukt ab. Ob sie nun von der OECD, dem IWF oder der Weltbank stammen, die Zahlen sind eindeutig –, und die Folgen verheerend: Die Jugendarbeitslosigkeit erreicht in Ländern wie Spanien und Italien Werte von 50 Prozent und mehr. «Selbst ein normaler Mensch kann erkennen, dass in Europa eine neue Unterschicht entsteht, die an die Zustände der USA in dern 1960er Jahren erinnert», mahnt die «Financial Times».
Auch über die Gründe des Lohndrucks gibt es keine Diskussion: Die Sündenböcke heissen Globalisierung und technischer Fortschritt. Das ist keine Überraschung. Seit den 1980er Jahren können wir beobachten, wie die Zöllschranken fallen und die Leistung der Computer steigen. Allmählich nähern wir uns, was in der Fachsprache Tipping Point genannt wird: dem Zeitpunkt, an dem sich Vieles sehr rasch ändern kann.
Globalisierung und technischer Fortschritt haben dazu geführt, dass sich der weltweite Wettbewerb dramatisch verstärkt hat. Einmal mehr zeigt es sich, dass zu viel Wettbewerbsdruck schädliche Folgen hat: Wenn die Unternehmen wegen dem hohen Konkurrenzdruck gerade mal noch ihre variablen Kosten – die Kosten für Material und Löhne, im wesentlichen – einfahren können, dann leiden alle. Die Unternehmen haben kein Geld mehr für Investitionen und Forschung, die Arbeitnehmer müssen mit Lohneinbussen rechnen, und die Aktionäre erhalten keine Dividenden mehr.
Wie kann man dem überbordenden Wettbewerb entrinnen? Einen Weg zeigt Peter Thiel, IT-Milliardäre und Vordenker im Silicon Valley, auf. In einem Gastbeitrag im «Wall Street Journal» stellt er fest: «Nur etwas macht es einer Firma möglich, sich über den brutalen täglichen Wettbewerb zu erheben: Monopolprofite.» Mit anderen Worten: Thiel ist zur Überzeugung gekommen, dass normale Unternehmen im globalen Wettbewerb nicht mehr überleben können und fordert deshalb unverhohlen, dass Monopole nicht nur erlaubt, sondern gar gefördert werden. Denn: «Unter den Rahmenbedingungen eines perfekten Wettbewerbs kann langfristig kein Unternehmen mehr rentabel sein».
Was Thiel fordert, ist unter Ökonomen längst kein Geheimnis mehr. In den letzten Jahren ist ein starker Trend zur Monopolisierung der Wirtschaft zu beobachten. Die ETH Zürich hat schon im Herbst 2011 mit einer Studie für Aussehen gesorgt, die zum Schluss kommt, dass die Weltwirtschaft von 143 Konzernen beherrscht wird. Bücher, die vor dem Entstehen eines neuen Geldadels warnen, füllen mittlerweile Bibliotheken. Eine Techno-Aristokratie ist eine realistische Option geworden – für die überwiegende Mehrheit der Menschen allerdings keine attraktive. Wir brauchen daher eine Alternative.
Es gibt eine Alternative, sie heisst kooperative Tauschwirtschaft. Warum dies so ist, erklärt etwa der Politologe Jeremy Rifkin. Er argumentiert, verkürzt ausgedrückt, wie folgt: Weil es den meisten Unternehmen nicht einmal mehr gelingt, ihre variablen Kosten zu erwirtschaften, wird der bestehende Kapitalismus zusammenbrechen. Die Alternative heisst nicht Sozialismus, sondern Tauschen.
Daten sind der neue Rohstoff der Wirtschaft geworden. Anders als Öl kann man Daten jedoch teilen, ja dank dem Netzwerkeffekt gewinnen Daten sogar an Wert, wenn sie möglichst oft geteilt werden. Immer grössere Bereiche der Wirtschaft werden von dieser Entwicklung erfasst. Eine kooperative Wirtschaftsordnung ist daher keine romantische Vision mehr, sondern entwickelt sich zu einer konkrete Alternative zur bestehenden Ordnung. Dass ein bedingungsloses Grundeinkommen integraler Bestandteil einer solchen kooperativen Wirtschaftsordnung sein muss, liegt auf der Hand.
Wir stehen vor einer möglicherweise fundamentalen Wende: Entweder leben unsere Kinder und Enkel in einer Welt, die von einer winzigen Techno-Aristokratie beherrscht wird, oder sie leben in einer kooperativen Tausch-Wirtschaft. Wenn wir die zweite Variante wollen, werden wir um ein bedingungsloses Grundeinkommen nicht herum kommen.