Die aktuellen Reaktionen in Presse, Wissenschaft und Politik auf die neueste Nachricht aus dem Fernen Osten, wonach erstmals die Geburt von Mischwesen aus Mensch und Tier rechtlich und politisch ermöglicht werden soll, reichen von problemverkennender Panikstreuung über gedämpfte Empörungen bis hin zu entschärfenden Gelassenheitsappellen (z.B. seitens des Vorsitzenden des Deutschen Ethikrates Peter Dabrock).
Allerdings ist dieser jetzt in Japan erlaubte Schritt der Erzeugung und Austragung von Chimären die logische Konsequenz eines von Anfang an ethisch fragwürdigen Forschungsprogramms, das Teil einer globalen wissenschaftspolitischen und als Salamitaktik getarnten Agenda ist, die noch nicht an ihr Ziel gelangt ist. Dieses Ziel gibt sich auf den ersten Blick als ein rein philanthropisches Ziel aus, insofern dessen Realisierung ja verspricht, den Organmangel zu beheben, um damit potentiellen Empfängern neue Wohltaten zu erweisen; es ist aber auch - und aus meiner Sicht ist es das in erster Linie - ein misanthropisches Ziel, weil einerseits die Wahrscheinlichkeit, dass in Chimären spendertaugliche Organe erzeugt werden können, sehr gering ist (und man somit mit den berechtigten Hoffnungen von Bedürftigen allzu leichtfertig umgeht), andererseits Wissenschaftler hier Hand an etwas legen, das menschlichem Zugriff eigentlich entzogen sein sollte - ich spreche hier von der Natur des Menschen, die Grund für seine Würde ist.
In einem dreijährigen, vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) geförderten Projekt habe ich zusammen mit meinen Kollegen auf verschiedenen Wegen versucht zu zeigen, dass die artspezifische Natur des Menschen und damit auch des humanen Embryos eine zentrales ethisches und rechtliches Kriterium darstellt. Mit dessen Hilfe können wir nämlich plausibel machen, dass „wir“ als Menschen Personen sind, die zueinander in einem besonderen und normativ zu schützenden Verhältnis qualifizierter Familiarität stehen. (dazu FAZ vom 22.3.2019: „Der Embryo ist keiner von uns“).
Wenn wir jedoch in Zukunft immer weniger oder gar nicht mehr wissen, ob ein Lebewesen, z.B. ein synthetischer Embryo (auch SHEEF genannt) oder eine künstlich erzeugte Chimäre, zur Spezies Mensch gehört, weil signifikante Anteile seines Phäno- und Genotyps artifiziell erzeugt werden oder tierisch sind, dann verlieren wir jeglichen normativen Bezugspunkt, von dem aus wir überhaupt erst beurteilen können, was ein Wesen ist, welche natürliche Bedürfnisse es hat, mit wem es zusammenleben will bzw. sollte und woraufhin seine ganze Existenz abzielt.
Halten wir also fest: Die Horrorvision ist mit den Ereignissen in Japan nicht erst Realität geworden, sondern bereits so real, dass uns dessen Realität nicht mehr erschreckt - und das ist besonders erschreckend!