Dialectica ist die Schweizer Fachzeitschrift für Philosophie und das offizielle Organ der Europäischen Gesellschaft für analytische Philosophie. Sie wurde im Jahr 1947 von Ferdinand Gonseth, Paul Bernays und Gaston Bachelard gegründet. Dieser Artikel stellt die Gründer, ihre Ziele sowie die erste Ausgabe vor.
Ferdinand Gonseth
Ferdinand Gonseth wurde 1890 als Sohn eines Uhrmachers in Sonvilier im Berner Jura geboren. Er studierte trotz sehr starker Sehbehinderung Physik und Mathematik an der ETH Zürich. 1920 wurde er Professor für allgemeine Mathematik an der Universität Bern. Neun Jahre später ging er als Professor für höhere Mathematik in französischer Sprache zurück an die ETH. Dort wurde er im Jahr 1946 auch zum ordentlichen Professor für Philosophie der Naturwissenschaften ernannt. Im selben Jahr war er Mitbegründer der Internationalen Gesellschaft zur Pflege der Logik und Philosophie der Wissenschaften. Ein Jahr später, 1947, gründete er zusammen mit Bernays und Bachelard die Zeitschrift Dialectica.
Paul Bernays
Paul Bernays wurde 1888 als Sohn eines Kaufmanns in London geboren. Er wuchs in Berlin auf und studierte Mathematik, Philosophie sowie theoretische Physik in Berlin und Göttingen. 1912 habilitierte er sich an der Universität Zürich und wurde ebenda Privatdozent. Nach mehrjähriger Lehrtätigkeit in Göttingen wurde er 1934 aufgrund seiner israelischen Herkunft entlassen und kehrte in die Schweiz zurück, wo er ab 1945 als Extraordinarius für höhere Mathematik an der ETH Zürich tätig war. Zusammen mit Gonseth war er 1946 Mitbegründer der Internationalen Gesellschaft zur Pflege der Logik und Philosophie der Wissenschaften und ein Jahr später von Dialectica.
Gaston Bachelard
Gaston Bachelard wurde 1884 als Sohn eines Tabakhändlers in der französischen Champagne geboren. Trotz finanziell schwierigen Bedingungen sowie einem Unterbruch wegen 38 Monaten Dienst im Ersten Weltkrieg studierte er Mathematik, Physik, Chemie und Philosophie. Nach mehreren Jahren als Gymnasiallehrer und später Philosophieprofessor an der Universität Dijon wurde er 1940 an die Sorbonne berufen, wo er den Lehrstuhl für Geschichte und Philosophie der Wissenschaften innehatte. Dort wurde er ebenfalls Direktor des Instituts für Wisssenschaftsgeschichte (Institut d'Histoire des Sciences et des Techniques). 1947 gründete er gemeinsam mit Gonseth und Bernays Dialectica.
Die erste Ausgabe
Bereits im Gründungsjahr erschienen vier verschiedene Nummern von Dialectica. Die erste Ausgabe wurde am 15. Februar 1947 veröffentlicht. Unter dem Namen auf der Titelseite wird die Dialectica als «Internationale Zeitschrift für Philosophie der Erkenntnis» bezeichnet.
Die bereits auf der ersten Seite angefangene Mehrsprachigkeit zieht sich durch die Ausgabe durch: Während die Überschriften sowie das Geleitwort jeweils in alle drei Sprachen übersetzt wurden, sind die Aufsätze und Danksagungen in Deutsch und/oder Französisch verfasst.
Entsprechend der Benennung der Zeitschrift war das Thema dieser ersten Ausgabe «Die Dialektische Denkweise». Neben dem Geleitwort enthält die Nummer sechs philosophische Aufsätze, unter anderem von Bachelard und Gonseth selbst. Daneben finden sich ein philosophisches Portrait über Leibniz anlässlich seines 300. Geburtsjahres sowie ein Aufsatz zur aktuellen Lage der Philosophie .
Die Zeitschrift wurde von den Presses Universitaires de France Paris sowie den Éditions du Griffon Neuchâtel Suisse herausgegeben, wobei die Rechte bei Letztgenannter lagen.
Ziele und philosophische Ausrichtung
Im Geleitwort der ersten Ausgabe geben die Autoren (es ist nicht angegeben, von wem es verfasst wurde) Einblicke in den Hintergrund und die Zielsetzung von Dialectica. Dabei stellen sie die Absicht ins Zentrum, sich in einer Epoche, mit deren Denkweise man sich nicht identifizieren kann, zu engagieren: Sie wollen sich nicht zurückziehen, sondern für die Zeit, in der sie leben, wirken. Diese Überlegungen sind eingebettet in einen grösseren Wissenschaftszusammenhang: Ihre Zeit bezeichnen sie als «Zeitalter der Wissenschaft», das dadurch charakterisiert ist, dass das Wissen des Spezialisten «die Grenzen des gemeinhin Ersichtlichen überschritten» hat. Die durch dieses Wissen freigesetzten Kräfte bergen aber auch Gefahren. In diesen Kontext setzen die Autoren ihre philosophische Zielsetzung:
«Was sollen wir tun um mit diesem Wissen Schritt zu halten, was tun um es einzugliedern in eine Kultur der menschlichen Werte ? Damit uns dieses Wissen nicht entgleite, damit es andererseits durch die Erfordernisse seiner Handhabung und Anwendung nicht zum Herren über uns werde, ist eine Leistung unsererseits nötig, eine entschiedene und beständige philosophische Leistung.»
Was bedeutet das für die Philosophie? Die Autoren sehen sich verpflichtet, die Kohärenz des Gesamtwissens zu bewahren, für die Erhaltung einheitlicher Richtlinien bezüglich der Methoden zur Findung objektiver Erkenntnis zu einzustehen und zu überwachen, dass unsere Absichten in diesen Unternehmungen unverfälscht bleiben. Für die Philosophie bedeutet das, sich nicht zu verstecken hinter Dogmatismus und der Vorstellung einer absoluten Gültigkeit. Sie wollen über die Grenzen der eigenen Disziplin hinaus gehen, offen bleiben für Neues, insbesondere für neue Erfahrungen. In diesem Sinne stellen ihnen die empirischen Wissenschaften den Nährboden für die Philosophie dar.
Quellen
Thomas Fuchs: "Bernays, Paul", in: Historisches Lexikon der Schweiz (HLS), Version vom 04.04.2022. Hier. Konsultiert am 23.10.2022.
Thomas Fuchs: "Gonseth, Ferdinand", in: Historisches Lexikon der Schweiz (HLS), Version vom 04.01.2007. Hier. Konsultiert am 23.10.2022.
Webseite der Association Internationale Gaston Bachelard. Hier. Konsultiert am 25.10.22
Wikipedia-Artikel zu Dialectica. Hier. Konsultiert am 25.10.2022
Wikipedia-Artikel zu Gaston Bachelard. Hier. Konsultiert am 25.10.22
Erste Ausgabe von Dialectica. Hier.
Bilder
Paul Bernays: https://de.wikipedia.org/wiki/Paul_Bernays
Gaston Bachelard: Von Autor/-in unbekannt - [1] Dutch National Archives, The Hague, Fotocollectie Algemeen Nederlands Persbureau (ANEFO), 1945-1989 bekijk toegang 2.24.01.04 Bestanddeelnummer 917-9599, CC BY-SA 3.0 nl, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=37090666
Ferdinand Gonseth: Fr. Schmelhaus / ETH Zürich - ETH-Bibliothek Zürich, Bildarchiv (Wikipediaseite über Ferdinand Gonseth)
Erste Ausgabe von Dialectica. Hier.