Unser Strafrecht befindet sich in stetigem Wandel. Während wir uns heute zunehmend mit der Frage befassen, wie durch das Strafrecht die Gesellschaft vor Gefahren geschützt werden kann, stand lange Zeit die Frage im Zentrum, wie die einzelnen Menschen vor der Strafgewalt der Obrigkeiten beschützt werden können. Dieser Orientierungswechsel ist womöglich darauf zurückzuführen, dass mit dem Strafrecht bereits vieles erreicht wurde, was man erreichen wollte. Durch die Kodifizierung von strafbaren Handlungen und deren Rechtsfolgen sowie durch die Einführung von Verfahrens- und Grundrechten wurden rechtliche Mittel geschaffen, die dem Schutz der Individuen dienen. Nun möchte man mit dem Strafrecht auch die Gesellschaft als solche vor Gewalttaten schützen. Ob dies der richtige Weg hin zu einer besseren Gesellschaft ist, bleibt fraglich.
In der Strafrechtswissenschaft und der Rechtsphilosophie sind in den letzten Jahrzehnten Stimmen laut geworden, die Kritik am eingeschlagenen Kurs der Kriminalpolitik üben. Ist das Strafrecht wirklich das richtige Mittel, um die Gesellschaft vor Gefahren zu schützen? Wenn ja, inwiefern? Weshalb überhaupt sollten oder dürfen wir Menschen sanktionieren? Weil sie etwas verbrochen haben? Oder weil sie möglicherweise etwas verbrechen werden? Was ist der Zweck der Strafe? Was sollte der Zweck sein? Gibt es womöglich mehrere Zwecke, die wir mit dem Strafrecht verfolgen oder verfolgen sollten? Was ist, wenn wir nicht alle Zwecke gemeinsam erreichen können? Welchen Zwecken geben wir Vorrang? Mit solchen und ähnlichen Fragen beschäftigen wir uns in diesem Themenschwerpunkt.
Zusätzlich werden hier konkrete Fragen zur Ausgestaltung des Strafrechts behandelt. Denn auch aktuelle politische Bestrebungen, wie zum Beispiel die Reform des Sexualstrafrechts, werfen philosophische Fragen auf. Was verstehen wir unter dem Begriff der Vergewaltigung? Was sollten wir darunter verstehen? Was heisst sexuelle Selbstbestimmung und was hat diese mit dem Strafrecht zu tun? Wie soll das künftige Sexualstrafrecht ausgestaltet sein? Welche Werte sollte es vermitteln?
Da die Ausgestaltung des Strafrechts nicht nur den gesellschaftlichen, sondern auch den technischen Wandel berücksichtigen muss, ergeben sich weitere Herausforderungen. Wie gehen wir strafrechtlich mit unerwünschten Handlungen in sozialen Netzwerken um? Wie können und sollten wir künstliche Intelligenzen zur Verantwortung ziehen, wenn diese Schaden anrichten? Soll es besondere strafrechtliche Regeln geben, die in der Virtual Reality gelten? Obwohl die Philosophie auf diese Fragen keine abschliessenden Antworten geben kann, ist sie eine Disziplin, die bei der Reflexion hierüber nicht vernachlässigt werden darf. Denn unsere Antworten hängen von der Diskussion ab, die wir führen. Die Philosophie kann für eine solche enorm nützlich sein. Beispielsweise indem sie begriffliche Klarheiten schafft, die im Strafrecht aufgenommen werden.
Falls auch Sie sich für philosophische Fragen rund ums Strafrecht interessieren, könnte dieser Themenschwerpunkt das Richtige für Sie sein. Wir freuen uns auf alle Beiträge, die zur Lebendigkeit dieses Schwerpunkts beitragen. Falls Sie also etwas zum Thema Strafrecht im Wandel (und damit vielleicht gar zum Wandel des Strafrechts) beisteuern möchten – sei es durch blosses Lesen oder durch das Schreiben eines eigenen Textes – sind Sie bei uns herzlich willkommen. Senden Sie Ihre Texte ganz einfach an vera.moser@philosophie.ch.
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