Grün ist chic – und sonst?

Zum Auftakt unserer philosophischen Miniserie zum Klimawandel thematisieren wir, was an den Friday-for-Future-Demos problematisch ist.

    Dieser Artikel erschien zuerst am 14. Juli 2019 in Der Bund.

    Die Fakten sind schon lange bekannt und werden auch schon lange nicht mehr ernsthaft in Zweifel gezogen: Es gibt einen anthropogenen Klimaeffekt, und es gibt eine anthropogene Zerstörung der Natur. Und beide Effekte sind nach menschlicher Zeitvorstellung irreversibel.

    Von der neueren Philosophie liegen seit einiger Zeit auch Argumente vor, wie diese Entwicklung zu bewerten ist: Nach Hans Jonas stellt sie einen eklatanten Verstoss gegen das Prinzip der Verantwortung und nach John Rawls eine massive Missachtung des Prinzips der Gerechtigkeit dar. Damit sollte eigentlich klar sein, wie die Menschheit, zumindest deren industrialisierter Teil, darauf reagieren und ihr Leben ganz konkret praktisch ausrichten sollte, wenn sie die bereits verursachten Schäden nicht weiter vermehren möchte. So führt Jonas überzeugend aus, dass ein Handeln unverantwortlich ist, das, zur Erlangung gegenwärtiger Vorteile, Schäden und Risiken raumzeitlich auslagert.

    Wie dies geschieht, erleben derzeit die Bewohner der südlichen Hemisphäre, die, in Folge nördlicher CO2-Emissionen, bereits heute von Dürren und anderem Extremwetter in ihrer Existenzgrundlage bedroht sind. So wie dies in unseren Breiten die zukünftigen Generationen erleben werden.

    Die Superreichen sind wir selbst

    Und mit John Rawls lässt sich leicht zeigen, dass das Leben der Superreichen extrem ungerecht ist, da sie sich von den Naturressourcen und letztlich der Erde so viel nehmen, dass für andere – wiederum raumzeitlich betrachtet – nicht mehr genug da ist.

    Und die Superreichen, das sind wir, die Bewohner der industrialisierten Welt. Denn reich zu sein, ist keine Frage der Geldmenge, sondern der Energie: Geld lässt sich beliebig vermehren, Energie hingegen ist im System Erde endlich. Mit Jonas und Rawls liegen also zwei Basistheorien der Umweltethik vor, mit denen sich das umweltethische Handeln gut analysieren lässt. Fast könnte man meinen, diese grossen Denker seien mittlerweile in der Mitte der Gesellschaft angekommen, liest und hört man doch allenthalben, dass Ökologie noch nie so hoch im Kurs stand – wofür als Beleg der europaweite Erfolg grüner Parteien genannt wird – und dass grün chic ist – wofür beispielsweise der Zulauf der Friday-for-Future-Demos stehen soll.

    Dabei sind derlei Entwicklungen ganz einfach zu beurteilen, nämlich am Verbrauch von Energie. Und der nimmt seit der Jahrtausendwende weiter rasant zu, und ein Ende ist nicht absehbar: Auch eine grüne Wählerschaft scheint an energiefressenden Konsumfreuden keine Abstriche machen zu wollen und flüchtet sich, wie ihre Vätergeneration, in neue Glaubensüberzeugungen: Die heissen heute nicht mehr Atomstrom, sondern beispielsweise E-Mobilität.

    Vieles bleibt beim Alten

    Die in naturaler und politischer Hinsicht düstere Nachhaltigkeitsbilanz der Elektrofahrzeuge wird dabei ebenso ausgeblendet wie die Wirkung des Rebound-Effektes: Die meisten benutzen energiesparsamere Geräte so viel intensiver, dass der Energieeinspareffekt nicht nur verpufft, sondern gar negativ ausfällt. Und was machen die Kinder der Green Generation? Die demonstrieren freitags für die Umwelt. Das sieht gut aus; eine wirkliche Klimademo wären die Fridays aber erst, wenn zumindest an diesem einen Tag einmal alle Smartphones abgeschaltet würden, hat das Streaming doch einen extrem negativen Klima-Impact.

    So aber bleibt alles beim Alten: Viele sagen, was sie schön fänden, dass es sich änderte, wenn es nichts kosten würde; und weil sie die Kosten nicht zahlen wollen, ändert sich nichts. Dabei ist es doch ganz einfach: Das Zauberwort heisst Konsumverzicht.