zur Bedeutung des Bedeutungslosen

Popkultur: Mythos oder Philosophie?

Versteckt sich hinter Popkultur ein wenig Philosophie?

     
    Der französische Literaturwissenschaftler und Philosophe Roland Barthes unternimt in der Mitte der 1950er den Versuch, sämtliche Mythen des französischen Alltagsleben in Form von kleinen Essays zu verfassen. Er bedient sich dabei von jeglichen Trivialitäten (Zeitungsartikel, Slogans, Wrestling, Spielwaren, Lebensmittel, Striptease und sonstiges Material) für seine Überlegungen, die zwar willkürlich sind, aber ihm sowie dem zeitgenössischen Leben aktuell erscheinen.

    «Kurz, ich litt darunter, daß in der Erzählung unserer Gegenwart ständig Natur und Geschichte miteinander vertauscht werden, und ich wollte dem ideologischen Mißbrauch auf die Spur kommen, der sich nach meinem Gefühl in der dekorativen Darstellung des Selbstverständlichen verbirgt»  

    Um das Verhältnis zwischen der dargestellten Wirklichkeit und der ihr unterstellten Natürlichkeit zu verdeutlichen, bezieht er sich auf den archaischen Begriff des Mythos. Der Mythos ist eine Sprache, so Barthes. Die scheinbar weit entfernten Dingen, mit denen er sich befasst, sind zumindest in den literarischen Texten, die er in frühen Essays behandelt, nicht allzu weither geholt; die Gegenstände der bürgerlichen Welt und das darin verborgene Denken beeinflussen sich gegenseitig.
     
    "Und Bedeutungen sind es, die ich stets in ihnen gesucht habe. Sind es meine Bedeutungen? Anders gesagt, gibt es eine Mythologie des Mythologen? Gewiß - und der Leser wird selbst erkennen, welche Wette ich damit eingehe"

    Zur Zeit von Barthes herrscht die Meinung, dass es eine natürliche Kluft gibt zwischen der Subjektivität des Schriftstellers und der Objektivität der Gelehrten. Die Annahme, die ersteren folgen der "Freiheit", während die letzterten der Berufung unterstellt sind, stellt Barthes in Frage. Beides diene lediglich dazu, "die realen Beschränkungen ihrer Situation zu verschleiern oder zu nobilitieren."

    Für Barthes haben Worte und Objekte die organisierte Fähigkeit gemeinsam, etwas zu sagen; gleichzeitig haben Worte und Objekte, da sie Zeichen sind, den bösen Glauben, ihrem Konsumentinnen immer natürlich zu erscheinen, als ob das, was sie sagen, ewig, wahr, notwendig wäre, anstatt willkürlich, gemacht, kontingent.

    In Mythologien deckt Barthes die modischen Ideensysteme auf, die es beispielsweise ermöglichen, dass "Einsteins Gehirn" für den Mythos eines "Genies steht, dem es so sehr an Magie mangelt, dass man von seinem Denken wie von einer funktionalen Arbeit spricht, die der mechanischen Herstellung von Würsten entspricht". Jeder der kleinen Essays in diesem Buch entreisst einem gewöhnlichen, aber konstruierten Gegenstand eine Definition und lässt ihn aus seinem verborgenen, aber allgegenwärtigen Reservoir an hergestelltem Geschmack sprechen.

    Ich beanspruche für mich, den Widerspruch meiner Zeit auszuleben, der den Sarkasmus zur Bedingung von Wahrheit machen kann.
    Wie Sarkasmus zur Bedingung von Wahrheit wird, wird uns Susan Sontag im nächsten Artikel verraten.

    In Barthes eigenen Worten:

    Diese im Monatsrhythmus verfaßten Essays erheben nicht den Anspruch einer organischen Entwicklung. Was ihren Zusammenhang herstellt, ist ihre insistierende Wiederholung. Denn ich bin zwar nicht sicher, ob - wie das Sprichwort behauptet - die Wiederholung von Dingen Wohlgefallen weckt; aber ich glaube, daß sie zumindest etwas bedeuten

    Poptimism

    Wohingegen die 90er mit einer kritischen Miene begegnet wurden, ebneten die 2000er, die sogenanntes oughts/naughties, einen Aufschwung des Poptimismus. Poptimism bezeichnet eine poisitve Haltung gegenüber den Produkten der Popkultur und versucht,
    die Vorstellung, dass man nicht nur die Schuld von diesen Vergnügungen nehmen, sondern auch tiefgründige Gedanken in sie investieren sollte