Broke Cuisine: die Ästhetik der Armut

    Ornamentale Küche

    Die Zeitschrift Elle (ein wahres mythologisches Schatzkästlein) bringt fast jede Woche eine schöne Farbphotographie eines tischfertig zubereiteten Gerichts: junges, knusprig gebräuntes Rebhuhn, mit Kirschen garniert; zartrosa Hühnchen, kalt serviert; Flußkrebspastete, von roten Schalen umgeben; cremige Charlotte, mit kandierten Früchten verziert; bunte Biskuits usw. In dieser Küche ist die vorherrschende substantielle Kategorie die Glasur: Man ist sichtlich bemüht, die Oberflächen zu glasieren, aufzubessern, die Speise unter dem glatten Sediment der Saucen, Cremes, Fondants und Gelees zu vergraben. Das hängt natürlich mit dem eigentlichen Zweck der Glasur zusammen, die zur Ordnung des Sichtbaren gehört. Die Küche von Elle ist nur fürs Auge bestimmt; der Gesichtssinn ist ein edler Sinn, und tatsächlich äußert sich in dieser ständigen Verwendung der Glasur ein Distinktionsanspruch. Elle ist eine anspruchsvolle Zeitschrift, wenigstens der Legende nach; ihre Rolle besteht darin, dem Massenpublikum der kleinen Leute, das ihr die Treue hält (wie uns die Marktforschung einredet), den Traum von echtem Chic vorzuführen; daher eine Küche der Verkleidung und des Alibis, die sich fortwährend bemüht, die ursprüngliche stoffliche Beschaffenheit der Nahrungsmittel - das Brutale des Fleisches oder das Schroffe der Krustentiere - abzuschwächen oder gar zu verstecken. Bäuerliche Gerichte werden nur ausnahmsweise zugelassen (der gute Familieneintopf), als ländliche Phantasie blasierter Städter. Doch vor allem fördert und trägt die Glasur eine der Haupttendenzen der gehobenen Küche: die Ausschmückung. Die Glasuren von Elle dienen als Hintergrund entfesselter Ver