(Text von Anja Leser)
„Die Verknüpfung von körperlichen Geschlechtsmerkmalen mit sozialen Normen aufzudecken und zu analysieren, bildet seit jeher einen Fokus feministischer Forschung.“ So beschreibt Nagl-Docekal eine der Hauptaufgaben der feministischen Philosophie und stellt sich die Frage: „Warum sollten sich etwa rechtsphilosophische Überlegungen mit allen möglichen Formen von Ungerechtigkeit auseinandersetzen, nur nicht mit Benachteiligung auf Grund der Zugehörigkeit zum weiblichen Geschlecht?“. Führt man sich vor Augen, dass die aufgeführten Theorien ausschliesslich von Männern erstellt wurden, liegt die Frage nahe, weshalb der philosophische Kanon, wie wir ihn kennen, nicht ausreicht, um das Thema der Gleichberechtigung zwischen Männern und Frauen zu betrachten. In den Worten von Nagl-Docekal stellen die „Differenzierungsmängel“ den Kern der Benachteiligung aufgrund der Zugehörigkeit zum weiblichen Geschlecht dar, die – in diversen Formen – nach wie vor alle Bereiche des gesellschaftlichen Lebens prägen.
Die feministische Philosophie hat deshalb als zentrales Anliegen, das gesamte Fach mit den hierarchischen Geschlechterverhältnissen zu konfrontieren. Frauen erweitern die Philosophie somit auch um Fragestellungen, wie beispielsweise die Kindererziehung, Altenpflege oder familiäre Beziehungen. Jedoch bedeutet dies nicht, dass die feministische Philosophie als Theoriebildung „von Frauen / über Frauen / für Frauen“ zu verstehen ist. Anders ausgedrückt können auch Männer Feministen sein und feministische Philosophie betreiben, wie dies beispielsweise Herr PD Dr. Dominique Künzle an der Universität Zürich tut.
Der Begriff „Feminismus“ wird an dieser Stelle so verstanden, dass er die Geisteshaltung zum Ausdruck bringt, dass die Benachteiligung von Frauen beendet werden soll. Feministische Philosophie befasst sich mit allen Themen der Philosophie, fokussiert dabei aber oft auf Fragen der Geschlechtergerechtigkeit oder der Geschlechterrollen. Dies bedeutet auch, dass sich feministische Philosophie nicht nur auf die Rolle der Frau konzentriert, sondern sich genauso mit der Rolle des Mannes auseinandersetzt.
Gender & Gender Equality
Der Begriff „Gender“ bezeichnet die soziale Rolle der Frau oder des Mannes, die abhängig ist von sozialen und kulturellen Umständen. Weshalb aber ist die Trennung von Biologie und soziokulturellen Geschlechterrollen so wichtig? Die Antwort der feministischen Philosophie besteht darin, dass dadurch beispielsweise kinderlose Frauen, Hausmänner oder andere Personen, die nicht der heterosexuellen Norm entsprechen, endlich „normal“ und damit gleichberechtigt werden.
Gender Equality bezeichnet somit die Gleichberechtigung der Geschlechter: Männer und Frauen sollen gleich behandelt werden, ausser es besteht ein tatsächlich biologisch gegebener Grund für eine Andersbehandlung.
Dieser Text wurde zuerst im Themendossier "Gleichberechtigung" publiziert.