Stimmen aus dem Studium

Mein Philosophiestudium

Persönliche Erfahrungen und Tipps 

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    Die Entscheidung: Warum ausgerechnet Philosophie studieren?

    Nachdem ich die Matura abgeschlossen hatte, standen mir viele Türen offen. Ich hatte das Glück, in einem Umfeld aufzuwachsen, von dem ich stets dazu ermutigt wurde, meinen Interessen zu folgen. Mir ist bewusst, dass das ein grosses Privileg ist, insbesondere für Menschen, die (wie ich übrigens auch) aus einem nicht-akademischen Haushalt stammen. 

    So liess ich mich also von meiner Neugierde und meinen Interessen leiten und entschied mich schliesslich für ein Studium an der Universität Bern. Da Philosophie im Gymnasium stets mein Lieblingsfach gewesen war, lag es auf der Hand, mich für ein Philosophiestudium einzuschreiben. Anfangs liess ich mich von den kritischen Stimmen in meinem Kopf leiten, die flüsterten, dass Philosophie doch etwas zu brotlos sei (oder war es die Stimme der Gesellschaft?). Deshalb entschied ich mich, Philosophie zunächst nur als Nebenfach zu belegen.

    Doch schon bald merkte ich, dass mich mein damaliges Hauptfach nicht ‘packte’ und ich das Studium vernachlässigte. Es fehlte an intrinsischer Motivation. In meinem Nebenfach hingegen fühlte ich mich wohl und inspiriert. Die Philosophie hatte es mir angetan. Ich liebte es, in den kargen Institutsräumlichkeiten der Uni Bern herumzuschleichen, umgeben von inspirierenden Büchern und klugen Köpfen.  Ein Gefühl der Ehrfurcht überkam mich in der Philosophie-Bibliotheke. Sie war für mich ein Ort, in dem die 'wirklich großen' Ideen gesammelt wurden und neue entstehen konnten. Ich war begeistert von der Philosophie, romantisierte sie und schwärmte sie an, und beförderte sich nach einem Jahr zu meinem Hauptfach.

    Die magische Welt der Philosophie

    Ich betrat eine neue, atemberaubende und zauberhafte Welt, die jedoch auch verwirrend und irgendwie gnadenlos war. Mit Verwandten und anderen "Erwachsenen" über meine Studienwahl zu sprechen wurde immer unangenehmer. Nicht, weil ich mich für mein Philosophiestudium schämte, im Gegenteil, ich war stolz darauf. Aber die Frage "Was wirst du mal damit machen?" wurde zu einer regelrechten Qual. Meine Überzeugung war: Philosophie studiert man aus Leidenschaft, nicht, um Geld zu verdienen. 

    So viel Wahrheit auch in diesem Glaubenssatz stecken mag, so hart trifft irgendwann auch die Realität, dass von irgendwo doch Geld fliessen muss. Doch das spielte zu Beginn noch keine Rolle. Unterstützt durch diverse Nebenjobs und Teilstipendien war es mir möglich, ein bescheidenes Studentinnendasein zu führen. 

    Ich tauchte in die Welt der Gedankenexperimente, möglichen Welten und endlosen Debatten über alles und nichts ein. Ich traf Menschen, die mich forderten und förderten, die mich ernst nahmen, die mich verstanden - und die manchmal auch meine Verzweiflung teilten. Denn so romantisch ich diese Jahre im Nachhinein gerne darstelle, war die Anfangszeit des Philosophiestudiums in Wirklichkeit natürlich nicht. 

    Das Erlernen des analytischen Denkens war harte Arbeit. Wie stellt man die richtigen Fragen? Wie vermeidet man logische Fehlschlüsse? Wie erkennt man das Hauptargument eines Textes? Und vor allem: Wie baut man ein eigenes starkes Argument auf? Philosophische Texte sind oft sehr dicht und komplex, und es reichte meist nicht aus, nur die Einleitung und die Konklusion zu lesen, um den Inhalt zu verstehen. 

    Meiner Meinung nach ist ein Philosophiestudium dazu da, das eigene Denken zu schulen, es herauszufordern, es an seine Grenzen zu bringen. Es wäre kein Problem gewesen, mit minimalem Aufwand passable Noten zu schreiben, aber den wenigsten Philosophiestudierenden geht es meiner Erfahrung nach beim Philosophiestudium nur ums Bestehen. Die meisten, so auch ich, wollen nichts Geringeres als zu "echter Erkenntnis" gelangen. Aber dieses Ding namens Erkenntnis entpuppte sich als tückisch. Je mehr ich mich ihm annäherte, desto unschärfer und diffuser wurde es. Immer wieder gab es Momente, in denen ich vor allem sah, was ich nicht verstand, nicht wusste und nicht zu denken vermochte. So erschienen die Fragmente möglicher Erkenntnis oft bedeutungslos und minutiös.

    Eine harte Prüfung fürs Selbstbewusstsein

    Neben zahlreichen  "aha"-Momenten und vermeintlichen Erleuchtungen, die mich immer wieder neu motivierten, war mein Studium auch von Frustration und Selbstzweifel durchzogen. Zu Beginn machte ich mir noch keine Gedanken darüber, wo ich einmal landen würde; diese Sorgen kamen erst am Ende meines Studiums auf. Nein, in den ersten Semestern war etwas anderes schwierig für mich: Ich konnte plötzlich nicht mehr gut schreiben.

    Lasst mich das erklären. Literatur war seit meiner Kindheit ein fester Bestandteil meines Lebens. Schon in jungen Jahren verschlang ich Buch um Buch und schrieb zu Hause sowie später in der Schule spannende Geschichten und tiefgründige Reflexionen. Im Deutschunterricht des Gymnasiums erreichten meine literarischen Fähigkeiten gefühlt ihren Höhepunkt: Die Worte flossen gefühlt mühelos aus meinen Gedanken über den Stift aufs Papier. 

    Doch die Realität des Philosophiestudiums sah anders aus. Im Essay-Tutorium im ersten Semester erlernten wir Grundlagen des philosophischen akademischen Schreibens. Wir erhielten den Rat: "Macht genau das Gegenteil von dem, was ihr im Deutschunterricht gelernt habt." Kein Spannungsbogen, keine blumigen Beschreibungen, kein abwechslungsreicher Wortschatz, keine literarischen Experimente, keine rhetorischen Fragen, keine versteckten Botschaften und ganz bestimmt keine Satzfragmente waren erlaubt. Der geforderte Stil war trocken und gefühllos. Ich fühlte mich meiner Sprache beraubt. Es war schmerzhaft, plötzlich kaum noch positive Rückmeldungen zu meinem Schreibstil zu bekommen.

    Die Kritik meiner Dozierenden traf mich hart und ich begann, meine Fähigkeiten - und mich selbst - zu hinterfragen.

    Die Früchte konstruktiver Kritik

    Natürlich wollte ich eine gute Studentin, ja eine gute Philosophin sein. Und so erlernte ich Schritt für Schritt das analytische philosophische Schreiben und Denken. Dieses ist übrigens nicht nur in der analytischen Philosophie von Vorteil, sondern in den meisten akademischen Disziplinen. Heute kann ich sagen, dass es sich vollends gelohnt hat. 

    Obwohl ich manchmal meinem stilsicheren Sprachgefühl aus der Zeit vor dem Studium nachtrauere, das ich zweifellos verloren habe, hilft mir das Schreiben, wie ich es im Studium erlernt habe, ungemein weiter. Es hilft nicht nur dabei, Gedanken präzise und strukturiert auszudrücken, sondern es hilft meiner Meinung nach auch dabei, sie überhaupt klar und präzise zu denken. 

    Es hilft mir dabei, im Alltag, Beruf und im universitären Kontext argumentativ zu überzeugen, mich mit neuen Inhalten kritisch auseinanderzusetzen sowie dabei, Fehler und Widersprüche zu identifizieren, auch in meinem eigenen Denken. Selbstverständlich sind das keine Fähigkeiten, die vollständig und abgeschlossen beherrscht werden können, im Gegenteil - ich bin davon überzeugt, dass wir Menschen diesbezüglich niemals auslernen werden. 

    Mein persönliches Highlight

    Zuletzt möchte ich noch vom besten Teil meines Studiums erzählen: Meiner wunderbaren ‘Studigruppe’. Ohne sie wäre ich wahrscheinlich niemals bis zum Abschluss gekommen. Unsere Gruppe formte sich im Laufe des Studiums und bis heute zähle ich ihre Mitglieder zu meinen engsten Freund*innen. Wir haben uns in den Pausen, auf dem Flur und in den Räumlichkeiten der Fachschaft über die Vorlesungsinhalte unterhalten, gemeinsam für Prüfungen gelernt, uns gegenseitig Feedback zu unseren Arbeiten gegeben und sogar unsere Ferien zusammen verbracht.

    Meine Gruppe war die größte Motivation für mein Studium, die ich mir vorstellen konnte. Wir haben eine Diskussionskultur entwickelt, wie ich sie von keiner anderen Gruppenkonstellation kenne. Unser Austausch war neugierig, ergebnisoffen, direkt, und äußerst enthusiastisch. Unpräzise oder unüberlegte Aussagen wurden nicht einfach durchgewunken, sondern kritisch hinterfragt. Gleichzeitig war stets klar, dass die philosophischen Diskussionen niemals persönlich gemeint waren, sondern lediglich dazu dienten, die besten Argumente zu finden und begründete Meinungen zu bilden.

    Ein Philosophiestudium kann sehr einsam sein, da es keine fixe Klasse oder einen festen Jahrgang gibt. Umso schöner war es für mich, auf so interessierte, kluge und liebenswürdige Menschen zu treffen.

     

    Persönliche Tipps zum Philosophiestudium

    • Augen auf bei der Universitätswahl!
      Philosophiestudium ist nicht gleich Philosophiestudium. Informiere dich darüber, welche Themen und welcher Stil dich interessiert. Je nach Universität unterscheidet sich das Philosophiestudium stark in Form und Inhalt. Meiner Meinung nach können alle Lehren der Philosophie wertvoll sein, doch du solltest vorher wissen, was zu dir passt und worauf du dich einlässt. Lies also unbedingt auf den Webseiten der Unis, was dich erwartet, bevor du dich für die eine oder andere Uni einschreibst. Für mich persönlich war der analytische Fokus der Universität Bern sehr ansprechend, doch ich weiss, dass das nicht für alle Menschen der Fall ist.
    • Feedback ist wichtig! 
      Im Laufe deines Studiums musst du viele schriftliche Arbeiten einreichen und es kann vorkommen, dass du nur knappes oder gar kein Feedback erhältst. Wenn du jedoch Verbesserungen erzielen möchtest, ist es wichtig zu wissen, was du verbessern kannst. Habe Mut dazu, Feedback einzufordern, indem du beispielsweise Dozent*innen per E-Mail kontaktierst oder Sprechstundentermine vereinbarst. Falls du Kritik erhältst, die sich ungerecht anfühlt, solltest du nachfragen und versuchen zu verstehen, was gemeint ist. Besprich es gegebenenfalls mit deinen Kommiliton*innen und nimm letztendlich an, was für dich sinnvoll erscheint.
    • Philosophie lebt vom Austausch! 
      Der Austausch und die Diskussion von Ideen sind zentrale Elemente der Philosophie, da sie es den Studierenden ermöglichen, ihre eigenen Ansichten und Argumente zu schärfen und zu verbessern. Durch den Austausch mit anderen werden neue Perspektiven eröffnet und Argumente kritisch hinterfragt, was zu einem tieferen Verständnis und zu begründeten Meinungen führt. Such dir deshalb unbedingt Menschen, mit denen du die gelernten Inhalte diskutieren kannst. 

     

    Viel Spass und Erfolg in Deinem Studium!