Rede zum feministischen Streiktag 14.06.2023

    Alle haben sie uns kleingeschrieben und einmal mehr haben wir ihnen Lüge gestraft.
    Schaut euch an, ihr seid wunderschön!
    Und einmal mehr fragen sie uns, wo das Problem denn liegt.
    Das Problem ist, dass es eine „Row Zero“ gibt, und sie schreien „Unschuldsvermutung“.
    Das Problem ist: unsere Töchter lernen sich zu schützen, bevor sie überhaupt alt genug sind, um zu verstehen wovor.

    Das Problem ist, dass wir immer noch angemacht, angegafft, angegangen werden – verfolgt, verletzt und vergewaltigt - gedemütigt, gecancelt und getötet.
    Und sie sagen uns, das Problem sind Transmenschen in der Badi…

    Ich meine, wollt ihr mich eigentlich verarschen?

    Sie sagen uns, es wird doch alles besser und gleichzeitig reicht die SVP zwei Initiativen gegen das Recht auf Abtreibung ein…
    Es ist unser Körper und das ist unsere Entscheidung!

    Sie sagen uns, wir sollen aufhören zu schreien.
    Wir sollen lächeln, während sie unser Rentenalter erhöhen und einmal mehr unsere Renten verschlechtern.
    Sie sagen uns, wir sollen nett sein. Streiken und demonstrieren sei nicht das richtige Mittel. Dabei warten wir seit über 40 Jahren auf die Umsetzung dieses Gleichstellungsartikels!

    Sie fragen uns, wieso wir streiken.
    Eine Woman of Colour im Parlament seit der Einführung des Frauenstimmrechts.
    Zwei, die Geschlechter die anerkannt werden.
    Acht, die Prozentzahl der Vergewaltigungen, die angezeigt werden.
    25, die Anzahl Tage, zwischen zwei Femiziden.
    42, die Prozentzahl Frauen im Nationalrat, auf die wir nun ach so stolz sind.
    350´000, die Frauen in Armut.
    430´000, die vergewaltigten Frauen in der Schweiz.
    108 Mrd. Franken, der Einkommensunterschied zwischen den Geschlechtern.
    248 Mrd. Franken, der Betrag, der die Gesellschaft den Frauen jedes Jahr für ihre unbezahlte Arbeit schuldet.

    Und sie fragen uns, wieso wir streiken?

    Null..null…null, die Geduld, die wir noch übrig haben.
    Tausende, die Gründe, heute auf der Strasse zu sein.
    Hundertausende, die diesem Ruf heute gefolgt sind.

    Denn – und das ist ein Versprechen – wir werden stören bis sie uns zuhören!
    Wir werden stören bis wir nachhause laufen können, ohne den Schlüssel in der Hand zu haben!

    Wir werden stören bis alle Söhne lernen, das echte Männer weinen und nicht schlagen.
    Bis unsere Kinder ihre Identität selbst wählen können.
    Wir stören, bis unsere Mütter in Würde altern können.
    Bis Kinderbetreuung gleich ernst genommen wird wie Banken.
    Bis Reichtum nicht mehr «männlich» ist, Armut nicht mehr «weiblich» und Privilegien allen gehören.

    Lasst uns dieses Land einmal mehr zum Beben bringen.
    Lasst uns einmal mehr Städte violett einfärben und das Hinterland unruhig machen.
    Lasst uns Jin, Jiyan, Azadî schreien!
    Denn unsere Schwestern brauchen uns!

    Jin, Jiyan, Azadî!

    Jin, Jiyan, Azadî!

    Jin, Jiyan, Azadî!

    Jin, Jiyan, Azadî!

    Lasst uns die Stimme all derer sein, die heute nicht hier sein können.
    Lasst uns anziehen, was wir wollen, hingehen wo wir wollen, küssen wen wir wollen.
    Lasst sie uns bereuen lassen, dass sie Banken retten, aber Frauen verarmen lassen.
    Lasst sie uns erinnern, wer wirklich systemrelevant ist.

    Lasst uns ihnen unsere Pronomen ins Gesicht drücken, unsere Namen in Erinnerung rufen und Gendersterne malen, bis sie meinen im Himmel zu sein.

    Lasst uns einstehen für Löhne, die zum Leben reichen.
    Für Renten, die ein Altern in Würde erlauben.
    Für Arbeitszeiten, die einen Sinn ergeben.
    Denn wir wollen nicht einfach gleiche Ausbeutungs-Chancen in einem Scheiss-System.
    Wir fordern ein besseres Leben für alle!

    Lassen wir die verstummen, die meinen nun genug gehört zu haben von diesem «Feminismus».
    Lassen wir die träumen, die glauben, dass sie allein kämpfen müssen.
    Lassen wir die hoffen, die müde sind.

    Lassen wir nicht zu, dass sie uns spalten.
    Lassen wir nicht zu, dass sie uns weismachen, dass unsere Kämpfe für höhere Löhne und Renten, für bezahlbare Kitaplätze, ein zeitgemässes Sexualstrafrecht, sichere Fluchtrouten, für die Anerkennung aller Geschlechter oder tiefere Arbeitszeiten getrennte Kämpfe sind.

    Diese Kämpfe gehören zusammen.
    Wir gehören zusammen und wir streiken zusammen!Denn wir, wir sind der Widerstand.
    Wir, wir sind die Hoffnung.
    Wir, wir sind die Zukunft.

    Wir sind die Enkelinnen der Hexen, die die Patriarchen nicht verbrennen konnten.
    Wir sind die Kinder des Frauenstreiks von 1991 und wir sind die Eltern der Generation, die dieses System ein für alle Mal ändern wird.
    Und wir sind hier, weil wir uns nicht mit der Hälfte des Kuchens zufriedengeben.
    Nein, wir fordern die ganze, verfluchte Bäckerei!