An unserer Abschlussfeier stellte ein Kommilitone die provokante Frage in den Raum: Haben wir in unserem Master eigentlich gelernt, was Wissen ist? Nein! lautete die ebenfalls provokante Antwort – zumindest nicht in einem inhaltlichen Sinn, behauptete er. Was wir allerdings gelernt hätten, und da würde ich ihm durchaus zustimmen, sind Techniken und Methoden, mit denen wir uns diesem Gegenstand selbstständig nähern können. Und ist nicht das, könnte man den Faden weiterspinnen, die eigentliche Aufgabe eines universitären Studienprogramms, das Bildung und nicht nur Ausbildung verspricht?
Es ist nicht meine Absicht in diesem kurzen Beitrag, in die Tiefen der Debatten über philosophische Bildungsideale hinabzusteigen. Doch gelingt es kaum, die Vor- und auch Nachteile dieses Masterstudienganges zu verstehen, wenn man nicht doch kurz bei dieser Unterscheidung verharrt. Unter Ausbildung lässt sich gemeinhin ein erzieherisches Programm verstehen, welches zum Ziel hat, Studierende auf eine bestimmte Karriere und Berufung hin auszubilden. Bildung hingegen bezeichnet eine Erziehung, die es Studierenden ermöglichen soll, sich kreativ und selbsttransformativ mit der Welt in Beziehung zu setzen. Nicht die Erlernung bestimmter beruflicher Techniken, sondern die Herausbildung eines selbstständigen und gelehrten Charakters werden ins Zentrum gerückt.
Wie alle idealtypischen Unterscheidungen ist auch diese nicht absolut trennscharf. Es gibt wohl kaum eine Bildung, die keine Elemente der Ausbildung enthält. Und es findet sich wohl auch schwerlich eine Ausbildung, die gar keinen Einfluss auf den Charakter eines Menschen hat. Aber die technischen Feinheiten der Begriffe sind an dieser Stelle nicht, was ich untersuchen möchte. Vielmehr sei hervorgehoben, dass es sich bei dem Master «Geschichte und Philosophie des Wissens», oder kurz: MAGPW, um ein Programm handelt, das sich klar in der Traditionslinie der Bildung versteht. Diesen Eindruck hinterliess es zumindest bei mir.
Was aber bedeutet dies konkret? Ganz so einfach lässt sich das nicht sagen und ist vielleicht auch nicht objektiv feststellbar. Ich möchte meine Behauptung aber mit einigen Erfahrungen untermauern.
Zu hervorheben gilt, welchen Raum den Interessen der Studierenden gegeben wird: Man soll nach Bbelieben diejenigen Fächer wählen, die man machen möchte. Inhaltlich gibt es kaum Vorgaben. Das Angebot an Fächern ist dementsprechend sehr breit: Es gibt Professuren für theoretische Philosophie, praktische Philosophie, «Ethik, Technologie und Gesellschaft», Globalgeschichte, Technikgeschichte, Wissenschaftsforschung und Literaturwissenschaften. Und alle bieten ein breites Sammelsurium von Fächern an, die lose mit dem Begriff Wissen verknüpft sind.
Dahinter steht die Idee, dass sich die Studierenden frei und ohne zu viel äusseren Einflüssen gerecht werden zu müssen, ihre eigene theoretische Position erarbeiten können. Das fFunktioniert in vielen Fällen auch – zumindest bis zu einem gewissen Grad. Und ich würde es als einen der grossen Vorteile dieses Studienganges beschreiben. Ich selbst bin dadurch mit vielen Theorien in Berührung gekommen, die ich ansonsten wohl kaum je kennen geerlernt hätte. Ob es allerdings dazu geführt hat, dass ich eine wirklich selbstständige Position erarbeitet habe, sei dahingestellt. Mir persönlich kommt es manchmal nicht so vor, auch wenn ich eingestehen muss, dass dieser Eindruck abnimmt, je weiter ich mich vom Abschluss meines Masters entferne.
Allerdings hat diese Offenheit der Fächerwahl und der Fokus auf das Eigeninteresse der Studierend auch einen Nachteil: Wenn man in seinen fachspezifischen Interessen noch nicht sattelfest ist, und wer ist das schon nach einem Bachelorstudium, dann kann man sich schnell in der Weite des Angebots verlieren. Viele Studierende, mich selber eingeschlossen, machten mindestens einmal innerhalb ihrer Ausbildung diese Erfahrung. Und auch wenn es sicherlich zur universitären Erziehung gehört, dass man sich von Zeit zu Zeit etwas verloren fühlt, finden sich im MAGPW doch wenige Leitplanken, an denen man sich wieder aufrichten könnte.
Verstärkt wird dieses Gefühl durch die institutionelle Einbettung des Studiengangs an der ETH Zürich. Um ihrem Ruf als Eliteuniversität gerecht zu werden, legt die ETH grossen Wert darauf, dass ihre Studierenden auch genügend Arbeitsaufwand betreiben. Im Kontext des MAGPW bedeutet dies, dass in den Kurse wenig ECTS-Punkte erlangt werden können. Dies hat zur Folge, dass viel geleistet werden muss, um nur einen oberflächlichen Zugang zu einem Themenbereich zu erhalten. Möchte man sich trotzdem vertieft mit den einzelnen Themen auseinandersetzen, muss viel zusätzlicher Aufwand betrieben werden, der sich nicht als Teil des Masterprogramms anrechnen lässt. Bei einigen Studierenden, mich eingeschlossen, hat(te) das zur Konsequenz, dass der Master länger als die Regelstudienzeit dauert(e).
Für die Regulierungen der Kurse kann die Organisation des MAGPW allerdings nicht allzu viel. Diese ist durch die ETH gegeben. Und, um den Aufwand in den einzelnen Fachkursen zu Beginn des Studiums etwas auszugleichen, wurden im zweiten Teil des Masters die sogenannten Lektüre Essays eingeführt. Dabei handelt es sich um drei längere Arbeiten, die die Studierenden dazu nutzen können, sich in beliebige Themen zu vertiefen und die vergleichsweise viele ECTS-Punkte geben.
Ob diese Essays tatsächlich dazu beitragen, den Arbeitsaufwand der Kurse auszugleichen, ist eine unter Studierenden umstrittene Sache. Und ich möchte mich an dieser Stelle enthalten. Sie führen allerdings klar das Bildungsideal des Masters weiter, indem sie den Einzelnen ermöglichen, ihre spezifischen Interessen zu vertiefen. Und trotz der Kritikpunkte, die ich gleich noch nennen werde, sind sie meiner Meinung nach der beste Bestandteil des Masterstudiengangs. Bei mir haben sie beispielsweise, wenn auch mit bescheidenem objektivem Erfolg, zu einer nachhaltigen Verbesserung im selbständigen Schreiben geführt.
Die Kritik an den Lektüreessays verläuft an einer ähnlichen Linie wie an den Kursen: Die Offenheit in der Themenwahl kann dazu führen, dass man sich zutiefst «verzettelt» in der eigenen Arbeit. Hinzu kommt allerdings noch ein weitere Punkt, der mit der bereits angesprochen wissenschaftlichen Schreibweise zusammen hängt. Da die Lektüreessays sowohl als Vorbereitung für die Masterarbeit, wie auch für spätere akademische Tätigkeiten sind, sollten sie die spezifischen Methoden des wissenschaftlichen Schreibens vermitteln. Hier gilt leider dasselbe wie bei der Themenwahl: Es obliegt den Studierenden sich dieses Wissen selber anzueignen. Auch wenn es sicherlich der Fall ist, dass die Geisteswissenschaften mehr methodologische Kreativität zulassen als die Natur- oder Sozialwissenschaften, gelten auch hier mittlerweile gewisse Standards, welche im Verlauf eines Masterstudiums vermittelt werden sollten. Leider kommt dies im MAGPW manchmal etwas zu kurz und ist stark abhängig von der jeweiligen Betreuungsperson.
Ich möchte allerdings nicht auf dieser kritischen Note enden. Und es ist klar: Das sind Alles nur meine eigenen Eindrücke. Diese sind weder objektiv wahr, noch teilen alle Studierende diese. Das Studium hat auch mir viel gebracht. Wie ich eingangs erwähnte, habe ich auf der Ebene der Intellektuellen Werkzeuge viel mitnehmen können. Damit ist nicht die Ebene der aktuellen wissenschaftlichen Methode gemeint, sondern ich beziehe mich hier auf die Fähigkeiten, die mit klarem Denken einhergehen. So bin ich aktuell in einem Projekt als Doktorand angestellt, dass sich mit sehr spezifischen Fragen der Umweltethik befasst. Obwohl mein Wissen zur Umweltethik nach dem Master recht begrenzt war, konnte ich mich in kurzer Zeit in die Themen und Konzepte einarbeiten. Ich denke nicht, dass ich dies mit der gleichen Effizienz gekonnt hätte, hätte ich einen anderen Studiengang gewählt.
Zum Abschluss einer jeden Rezension sollte man ja noch kurz sagen, für wen denn der rezensierte Gegenstand eigentlich geeignet ist. Im Fall des MAGPW würde ich diese Antwort gerne anhand zweier Kriterien illustrieren: 1) ob ein starkes Eigeninteresse an einem bestimmten angebotenen Themenbereich vorhanden ist und 2) ob man nach dem Master eine akademische Karriere anstrebt.
Im Fall eines starken Eigeninteresses und dem Wunsch, eine akademische Karriere anzustreben, scheint mir der Studiengang durchaus geeignet zu sein, da die fehlenden methodischen Leitlinien durch das Fokussieren auf einen bestimmten Themenbereich kompensiert werden könne.
Fehlt allerdings die anfängliche Klarheit darüber, wo genau die Fachinteressen liegen, man will aber trotzdem nach dem Masterstudiengang an der Universität weitermachen, ist das Programm nicht ganz so gut geeignet. Das simultane selbständige Herausarbeiten einer thematischen und methodischen Position ist in meinen Augen viel Aufwand, speziell wenn man beabsichtigt, in zwei Jahren abzuschliessen. In diesem Fall empfehlen sich stärker strukturierte Programme.
Hat man allerdings ein klares Interesse an einem der angebotenen Themen und will danach nicht weiter machen in der akademischen Wissenschaft, dann scheint der Master optimal zu passen, da er abgesehen von den methodischen Aspekten hervorragende Lehrveranstaltungen bietet.
Hat man kein solches Interesse, aber auch keine Ansprüche, danach ein Doktorat in Angriff zu nehmen, dann scheint der Master ebenfalls Interessant zu sein. Es sollte dann vielleicht einzig geschaut werden, falls man rechtzeitig abschliessen möchte, dass nicht allzu breit studiert wird.
Nachdem ich das nun alles beschrieben habe, sollte ich wohl fairer Weise auch sagen, welcher Gruppe ich mich selbst zuordnen würde. Aus der heutigen Perspektive, was man vielleicht bei meinen Kritikpunkten bereits heraushört, würde ich mich in zur zweite Gruppe gesellen – Also jene, die noch kein klares Interesse haben, allerdings gerne weiterforschen würden. Und ich kann sagen, auch hier klappt es, auch ich konnte wertvolle Erfahrungen im MAGPW sammeln. Allerdings denke ich, dass Kommiliton*innen, die in die anderen Gruppen fallen würden, mehr noch von dem Master mitnehmen konnten als ich selbst.