Gerda Walther (1897-1977) war eine deutsche Philosophin und Phänomenologin, welche bei Edmund Husserl studierte und bei Alexander Phänder 1921 promovierte. 1923 wurde ihr Werk „Zur Ontologie der sozialen Gemeinschaften“ (1) im Jahrbuch für Philosophie und philosophische Forschung veröffentlicht, auf welches sich die vier Blogbeiträge beziehen. Walthers Forschung steht in Zusammenhang mit den aktuellen Fragestellungen zur sog. „kollektiven Intentionalität“, da sie sich mit dem Phänomen des „Miteinanderfühlens“ auseinandersetzte.
Walthers Kernthese besagt, dass für ein gemeinsames Erleben der Erfahrung X zwischen den Personen A und B folgende Bedingungen erfüllt sein müssen:
1. A muss X erleben und B muss X erleben.
2. A muss sich in das Erlebnis von B hineinversetzen und vice versa.
3. A muss sich mit dem Erlebnis von B identifizieren und vice versa, und
4. muss gegenseitig ein einfühlsames Bewusstsein dieser Identifikation des Gegenübers gegeben sein. (2)
Kritisiert wird an Walthers Kernthese, ob das gegenseitige Sich-bewusst-sein der Identifikation des Gegenübers mit dessen Erlebnis tatsächlich als Bedingung für ein gemeinsames Erleben rsp. Miteinanderfühlen gelten kann. Auch scheint es fraglich zu sein, ob sich B mit dem tatsächlich für A gegebenen Erlebnis X identifiziert oder sich dessen Erlebnis nur unzureichend bewusst machen kann. (3)
Die phänomenologische Methode
Walther setzt sich zur Aufgabe, das Wesen der sozialen Gemeinschaft zu erfassen und dabei dessen Erscheinungsweise sogenannt phänomenologisch zu untersuchen. Die zu Grunde liegende Annahme, dass absolutes Wissen durch reines Bewusstsein entdeckt werden kann, prägt die phänomenologische Methode massgebend. Aus der Perspektive der analytischen Erkenntnistheorie ist diese aber keineswegs unbestritten. Walther schreibt unter Bezug auf Descartes Cogito-Argument dazu: „Bei jedem derartigen Erlebnis, welcher Art auch immer, ist das erlebende Ich dessen unmittelbar gewiss, dass es jetzt so erlebt, wie es gerade erlebt, dass es wissend, fühlend, wollend, wertend, wie es auch sei, auf einen jetzt so und nicht anders vermeinten („intendierten“, „bewussten“) und gegebenen Gegenstand hinblickt; einen Gegenstand, der eben als dies bestimmte „Etwas“ in einem bestimmten Erlebnis im weitesten Sinne vermeint ist. Diese intuitive oder reflexive Evidenz des Durchlebens eines Erlebnisses ist einer der Ausgangspunkte der Phänomenologie.“ (4)
Frage: Was spricht dafür oder dagegen, dass die phänomenologische Methode sinnvolle und richtige Ergebnisse produziert?
Quellen
- Gerda Walther, Ein Beitrag zur Ontologie der sozialen Gemeinschaften, Sonderdruck in Jahrbuch Philosophie, Bd. 4, hg. Edmund Husserl, Verlag Max Niemeyer Freiburg i.B. /Halle a.d.S. 1922, 85f.
- ebenda, und vgl. David P. Schweikard and Hans Bernhard Schmid, Collective Intentionality, The Stanford Encyclopedia of Philosophy (Summer 2013 Edition), Edward N. Zalta (ed.), URL = https://plato.stanford.edu/archives/sum2013/entries/collective-intentionality/.
- vgl. ebenda
- Walther, S. 1 unten