Erfahrungsberichte aus den Mittelschulen

Erfahrungsbericht KS Seetal

ein Weg in die Jazzschule?

    Die eigentliche Motivation mich an der KS Seetal für die FMS (Fachmittelschule) einzuschreiben lag zu dieser Zeit in dem unbändigen Wunsch begründet, mir damit einen Weg in die Jazzschule zu ebnen. Musik als Geburtshelfer eines philosophischen Interesses? Wie originell. Im Nachhinein betrachtet jedoch eine der folgenreichsten, und inzwischen bin ich mir da ziemlich sicher, besten Entscheidungen meines Lebens.

    Obwohl sich mein kreativer Eifer zu Beginn ganz dem Studium meiner jeweiligen musikalischen Fähigkeiten verschrieb, wurde mir schnell klar, dass da noch ein zumindest gleich grosses Interesse anderer Art unter der Oberfläche schlummerte. Eigentlich war die KS Seetal auch nicht der erste Berührungspunkt mit der Philosophie, jedoch war mein pubertäres Ich nicht so einfach von altdeutschen und doch eher sperrig verfassten Argumenten zu begeistern. Trotz einer Leidenschaft für Sprache und Literatur bewegte mich zu dieser Zeit die Lektüre eines Kant oder Leibniz nicht sonderlich. Warum sollte ich mich durch ganzseitige Monstersätze quälen, wenn sich der kategorische Imperativ so einfach als Konzept ausdrücken lässt? Waren diese Personen nicht einfach etwas blasiert?

    Wer sähe sich denn nicht gezwungen, seine Intellektualität immerwährend auf der Zunge zu tragen, wenn man schon zu Lebzeiten - wie Leibniz etwa - zum Universalgenie gekrönt wurde?

    Ja, so einfach war die Welt des jungen Patricks: Alle sind eitel, und die mit grossem Erfolg umso mehr. Eine Position, welche ich heute noch bis zu einem gewissen Grad, aber wesentlich differenzierter, verteidigen würde. Denn wie eitel war nur schon meine Annahme, Kant in wenigen Sätzen zusammengefasst zu wissen?

    Wo war nun also dieses „schlummernde Interesse“, von welchem zu Beginn dieses Berichts die Rede war?

    Dieses wurde erweckt durch keinen geringeren als Albert Camus. Im zweiten Jahr der FMS waren plötzlich Begriffe wie „das Absurde“, „das Scheitern“ oder „die Revolte“ Gegenstände des Philosophieunterrichts, und der junge Patrick war begeistert. Schnell war der gesamte Syllabus gelesen, unzählige Zigaretten dazu stilecht geraucht und es wurde rege diskutiert. Keine andere Denkrichtung der Philosophie wirkte auf mich zurzeit moderner, zugänglicher und so nah am Leben. Offensichtlich kam es für mich auch auf die Form, das Ästhetische in der Art und Weise wie Philosophie betrieben werden kann, darauf an. Hätte ich gewusst, dass diese Verbindung aus literarischem Feingefühl mit philosophischen Theorien existiert, wäre mein Einstieg in die Philosophie schon viel früher passiert.

    Natürlich liesse sich nun sagen, dass die Existenzphilosophie theoretisch auf äusserst wackeligen Beinen steht und heutzutage selten noch ernsthaft diskutiert wird, jedoch war sie für mich der Türöffner in die Disziplin als Ganzes. Und nach Jahren des Studiums lesen sich nun auch die sperrigsten Texte zwar nicht angenehmer, aber der Wille zum Verstehen ist mit jedem Jahr grösser gewachsen, als die ästhetische Abneigung, welche mich ursprünglich davon abhielt weiterzulesen.

    Somit lässt sich abschliessend sagen, dass die Zeit der an der KS Seetal für mich nicht nur formativ war, weil ich den Grossteil meiner Pubertät dort zubrachte, sondern weil sie in mir ein nachhaltiges philosophisches Interesse geweckt hat.