Lisa Herzog bringt eine Aufgabe der Philosophie (im Alltag) in nachfolgendem Satz wunderbar auf den Punkt:
„Die Philosophie setzt dort an, wo die Einzelwissenschaften aufhören, und das Denken "ohne Geländer" (Hannah Arendt) beginnt. Insofern ist sie keineswegs für alle Fragen zuständig, die sich aus dem Alltag ergeben. Manchmal ist es angemessener, sich an bestimmte Einzelwissenschaften zu wenden, um Antworten zu finden. Allerdings gerät man doch schnell wieder auf philosophisches Terrain, z.B. wenn es darum geht, wie sicher bestimmte Formen des Wissens sind, und was die Möglichkeiten und Grenzen des Wissens überhaupt sind. Und die Philosophie kommt ins Spiel, wenn es um normative Fragen geht: darum, was wir tun sollen, an welchen Werten unser Handeln als Individuen und als Gemeinschaften sich orientieren soll. Keine Einzelwissenschaft kann darauf Antworten geben, es sei denn, sie hat normative Werte in ihre Prämissen eingeschmuggelt – dies aufzuzeigen, ist ebenfalls eine wichtige Aufgabe der Philosophie.“
Dieser Ausschnitt stammt aus dem Blogbeitrag „Zwischen Marktplatz und Elfenbeinturm“.
Genau solche normativen Fragen in verschiedenen Anwendungsfeldern rund um die Verantwortung spielen auch im März eine zentrale Rolle. Zuerst fragt Dr. Karim Bschir, wie es um die moralische Verantwortung von Wissenschaftlern gegenüber unbeabsichtigten und gesellschaftlichen Folgen ihrer Entdeckungen steht. Zwei gegenläufige Gedanken spielen bei diesen Überlegungen eine Rolle. Einerseits sind Wissenschaftler ausschließlich der „Wahrheitsfindung“ und „Objektivität verpflichtet, andererseits sind Personen auch für unbeabsichtigte Nebenfolgen ihres Tuns verantwortlich. Wer soll hier also der Träger der Verantwortung für negative Folgen des wissenschaftlichen Fortschritts sein? Die Gesellschaft oder das wissenschaftlich tätige Individuum? Und: welche Wissenschaften sind verantwortlich?
Eine ganz andere normative Frage stellt Michael Festl, denn er richtet den Blick auf die Verantwortungslosigkeit: Vor welchen Verantwortungslosigkeiten müssen wir uns im zweiten Maschinenzeitalter hüten?
Was meint man hingegen mit „gerecht“ und „ungerecht“, wenn man vom bedingungslosen Grundeinkommen spricht, frage Michael Sienhold. Und was genau behandelt das bedingungslose Grundeinkommen gleich? Von was für einer Verantwortung ist hier die Rede?
Zu guter Letzt fragt Andreas Brenner, ob wir durch den digitalen Wandel (in der Schule) in einer (neuen?) Verantwortung stehen, das kritische Denken zu fördern, damit wir besser mit diesem neuen Phänomen umgehen können?
Die Philosophie ist also nicht nur dazu da, um über normative Fragen „ohne Geländer“ nachzudenken. Ihre Aufgabe ist es vielmehr auch, ein generelles, kritisches Denken zu fördern, damit das nötige gedankliche Rüstzeug vorhanden ist, um mit den neuen Herausforderungen der Moderne besser umgehen zu können. Und um den ersten Schritt der gesellschaftlichen Verantwortung zu gehen.