Auf der Sekundarstufe II, also an Maturitäts- und Fachmittelschulen, kann teilweise Philosophie als Schulfach besucht werden. Inhalte und Methoden, die vermittelt werden, können je nach Schule stark variieren, obwohl der Philosophie-Unterricht grundsätzlich durch einen Rahmenlehrplan vorgegeben ist. Wie es dazu kommt, und wie konkrete Lehrpläne aussehen können, wird im folgenden Artikel erklärt.
Erste Ebene: Bund
Der Philosophie-Unterricht an Mittelschulen ist auf drei verschiedenen Ebenen geregelt. Die erste Ebene stellt der Bund dar. Die Rahmenlehrpläne der Schweizerischen Konferenz der kantonalen Erziehungsdirektoren, EDK geben vor, wie der Unterricht an Maturitätsschulen und Fachmittelschulen grundsätzlich aussehen soll:
- Rahmenlehrplan für die Maturitätsschulen (9.6.1994), S.81-85
- Rahmenlehrplan Fachmittelschulen (25.10.2018), S.49
Die Rahmenlehrpläne fallen allgemein und abstrakt aus, geben also keine konkreten Inhalte vor. Bezogen auf die Maturitätsschulen heisst es beispielsweise:
“Ziel des Philosophieunterrichts ist die Fähigkeit und die Bereitschaft, für sich und im Dialog mit andern - auch mit Denkern der Vergangenheit - selbständig, kritisch und selbstkritisch nachzudenken [... und] die Folgen zu bedenken, die sich [...] für unser Tun und Lassen ergeben [...].” (S.81)
Unter den Richtzielen stehen die Kenntnis grundlegender philosophischer Begriffe und Unterscheidungen, wichtiger philosophischer Fragestellungen, Lösungsvorschlägen und Argumentationsweisen, sowie die Hauptgedanken grosser PhilosophInnen und bedeutender Strömungen. (S.84)
Zweite Ebene: Kantone
Unter Einhaltung des Rahmenlehrplans erstellt jeder Kanton einen eigenen Lehrplan für die Mittelschulen. So werden Beispielsweise die Ausbildungen an allen Gymnasien und Fachmittelschulen des Kantons Bern mit den folgenden Lehrplänen geregelt:
Lehrplan Gymnasium
Lehrplan Fachmittelschule
Dritte Ebene: Einzelne Schulen
Einen konkreten Kanon schlägt der Rahmenlehrplan jedoch nicht vor. Welches die grundlegenden Begriffe und Gedanken sind, wird erst in den konkreten Lehrplänen der einzelnen Schulen festgelegt. Meist werden diese von den Philosophie-Lehrpersonen selbst geschrieben und spiegeln dementsprechend verschiedene Philosophieverständnisse und individuelle Vorlieben wieder.
Die Kantonsschule Zürcher Oberland beispielsweise sieht in ihrem Lehrplan vor, neben einem Überblick über die Geschichte der Philosophie fünf weitere Themengebiete genauer zu betrachten:
- Logik und Sprachphilosophie
- Ethik mit Blick auf ethische Fragen der Gegenwart
- Philosophische Anthropologie und Psychologie
- Wissenschaftstheorie
- Metaphysik
Ausführlicher listet der Lehrplan der Kantonsschule Reussbühl die Lerninhalte im Grundlagenfach auf:
Dieser historisch gegliederte Lehrplan setzt den Fokus auf DenkerInnen entlang des Zeitstrahls und diskutiert so verschiedenste Themen der Philosophie von den Vorsokratikern bis zur Sprachphilosophie von John Searle. Im Vergleich dazu ist der Lehrplan der Kantonsschule Alpenquai Luzern entlang von Themen strukturiert. Neben Logik und Sprachphilosophie, Erkenntnis- und Wissenschaftstheorie werden beispielsweise Naturphilosophie und Gender Studies für den Unterricht vorgesehen. Zudem stehen auf dem Lehrplan aussereuropäische Denker wie Konfuzius und Laotse, sowie eine grosse Anzahl Philosophinnen, darunter Martha Nussbaum, Donna Haraway und Evelyn Fox-Keller.
Philosophie im Plural
Die von Schule zu Schule je unterschiedlichen Lehrpläne auf der Sekundarstufe II, die dazu von jeder Lehrperson individuell interpretiert und umgesetzt werden, führen dazu, dass der Philosophie-Unterricht unterschiedlich ausfällt und ein anderes Philosophieverständnis vermittelt wird. Dies scheint die Tatsache widerzuspiegeln, dass es nicht die eine Philosophie gibt, sondern verschiedene Zugänge und Vorlieben zu einer sehr grossen Sammlung an philosophischen Texten.
Bedauerlich ist allerdings, dass die je nach Schule verschieden getroffenen Entscheidungen kaum kommuniziert oder gerechtfertigt werden. Nur so könnte das jeweils vermittelte Philosophieverständnis auch gesellschaftlich diskutiert werden und die SchülerInnen hätten die Gelegenheit, sich über die Philosophie (und den Philosophieunterricht) an anderen Mittelschulen zu informieren.