Mike Müller, Schauspieler, Komiker, Autor
Ich wusste vom ersten Tag meines Studiums an, dass ich an der Uni Zürich keinen Beruf erlerne. Mich störte das damals überhaupt nicht, aber die Argumente, warum das einen nicht zu stören braucht, hatte ich erst später zur Hand.
An der Uni erlernt ohnehin niemand einen Beruf. Kein Jurist, kein Betriebsökonom, kein Glaziologe, schon gar kein Anglist oder Germanist hat nach dem Abschluss ein Berufsfähigkeitszeugnis in der Hand. Die Mediziner können da vielleicht was anderes von sich behaupten, aber sie haben kein Recht die Philosophen zu piesacken, weil sie die teuerste Ausbildung ever in Anspruch nehmen.
Für fast alle Uniabgänger gilt: Wer sich nicht für eine akademische Karriere oder das Lehramt interessiert, muss sich seinen Beruf nach dem Abschluss schon selber suchen. Das wenigstens ist beim Philosophiestudium sonnenklar, und zwar von Anfang an. Auf blöde Fragen habe ich jeweils geantwortet: Mein Berufsziel ist Chefbeamter beim Bundesamt für Philosophie, Lohnklasse 21 und mit Dienstwagen.
Die Fragen von Journalisten nach der Bedeutung meines Studiums für meine Arbeit als Schauspieler, Komiker und Autor lassen sich in zwei Kategorien teilen. Journalisten mit abgebrochenem Studium fragen: Aber das Studium hat Ihnen eigentlich nichts gebracht, oder? Und Journalisten mit Abschluss fragen: Man merkt Ihren Texten und Ihrem Spiel das Philosophiestudium aber schon an, finden Sie nicht? Im Philosophiestudium lernt man mindestens, eine These nach ihren Voraussetzungen abzuklopfen. Das wäre in diesem Fall relativ einfach.
Ich will die Frage nach der Bedeutung des Studiums nicht schwänzen, aber ich habe keine rechte Antwort. Analytisches Denken, Ideengeschichte oder ethische Fragestellungen lassen sich auch ohne Studium erlernen. Bloss braucht dieser Weg noch mehr Disziplin als ein Studium. Ich habe die philosophische Fakultät immer als ein tolles Buffet verstanden, die einem zwar gewisse Regeln auferlegt wie Kanon, systematisches Arbeiten, Vorträge halten etc., die einem aber auch wahnsinnig viel bietet. Wenn man das Glück hat, auf Seminararbeiten oder eine Liz-Arbeit von hellen Assistenten oder brillanten Professoren ein fundiertes Feedback und Hilfestellungen zu erhalten, sollte man diesen Kelch nicht achtlos an sich vorbei ziehen lassen. Feedback erhält man zwar auch später im Leben, aber in meiner Branche ist dieses nicht immer dialogisch, vor allem aber schnell, hart und unabänderlich. Die Hochschule muss und soll nicht die Realität oder die Praxis vorweg nehmen, im übrigen kann sie es auch gar nicht.
Gegen Ende des Studiums konzentrierte ich mich auf politische und praktische Philosophie. Ich wusste damals noch nicht, dass ich dereinst als Satiriker mein Geld verdiene, und vielleicht weil ich für eine akademische Karriere nicht taugte, wurde ich Satiriker. So lässt es sich wesentlich ungenauer arbeiten, und trotzdem beschäftigt man sich mit Politik und Ethik.
Ich dachte immer, Philosophiestudium und Komik seien bei mir völlig getrennt. Ich machte damals noch nicht so viel Fernsehen wie heute, spielte aber regelmässig in Sketchen von "Viktors Spätprogramm". An der stündigen, mündlichen Hauptfachprüfung bei Prof. Holzhey mauserte ich mich für meine Verhältnisse ganz gut (ich war nervöser als vor jeder Première), bis ich mich bei der Beantwortung der letzten Frage grausam verhaute. Prof. Holzhey unterbrach mich freundlich, sagte zur Beisitzerin: "Der Herr Müller spielt manchmal so Sketche im Fernsehen, man darf bei ihm nicht alles ernst nehmen." Und dann zu mir: "Herr Müller, wollen Sie noch einmal zu einer Antwort ansetzen?" - Ich habe die Kurve dann noch gekriegt. Aber ich hätte nie gedacht, dass mir die Komik auch für das Studium was bringen könnte.